Wie du befiehlst
schwieg ein paar Sekunden, dann fuhr er fort: » Besonders Laure schlug gern über die Stränge. Sie wollte uns vierundzwanzig Stunden am Tag dienen. Ihre Grenzen lösten sich auf, aber dann gab es plötzlich diesen Bruch. Sie veränderte sich. Und ich glaubte, es läge daran, dass Serena und ich ihr einfach nicht mehr geben konnten, was sie brauchte.«
Sein Blick ging in die Ferne. »Und dann sah ich sie am Neptune Strand. Arm in Arm. Mit einem anderen Mann.«
»Was?«
»Ich habe es Serena nie gesagt. Ich fürchtete, es würde sie zu sehr verletzen. Aber ich denke, dass dieser Mann der Grund war, warum sie uns verlieÃ.«
Melissa war sprachlos.
»Du bist ganz anders. Auch wenn du ihr noch so ähnlich siehst. Laure war in allem extrem, was sie tat. Bisweilen sogar irrational. Impulsiv.«
Melissa hörte Espen aufmerksam zu. Das alles klang, glücklicherweise, nicht nach einem Kriminalfall. Eher nach einer rastlosen Frau, die sie sich selbst nicht kannte, die auf der Suche war, auch nach Liebe. Zu gern wollte sie diese ÂGeschichte glauben, weil sie ihr so viel besser gefiel als jede Alternative. Nur dass Laure sich niemals wieder gemeldet hatte ⦠das war schon seltsam. Besonders wenn man die innige Beziehung zwischen Serena und ihr bedachte.
»Vielleicht taucht sie eines Tages wieder auf. Zuzutrauen wäre es ihr«, sagte Espen nachdenklich, dann hauchte er ÂMelissa einen Kuss auf die Schläfe und wischte all ihre Zweifel fort.
»Ich werde noch mal nach unten müssen, mich um unsere Gäste kümmern.«
»Muss das denn sein?« Sie wäre lieber hier mit ihm geÂblieben.
Er lächelte zärtlich. »Du könntest mich begleiten.«
Sie schüttelte den Kopf, denn sie fühlte sich nicht wirklich wohl auf der Party.
Espen schien das zu verstehen. »Na schön, dann triff mich doch um Mitternacht am Pool.«
»Warum dort?«, fragte sie neugierig.
»Weil ich mir etwas Besonderes für dich einfallen lasse.«
Er saà allein an dem kleinen runden Tisch, um ihn herum waren Pärchen und Familien, die sich angeregt miteinander unterhielten. Ein Murmeln und Flüstern von allen Seiten. Andrew fühlte sich einsam, und das Gefühl des Verlusts verstärkte sich nur noch mehr. Vielleicht sollte er besser auf sein Zimmer zurückgehen und sich etwas nach oben bringen Âlassen. Die Atmosphäre hier war nicht nach seinem Geschmack.
Ins Fornage hatte er nicht zurückgekonnt. Zu viele Erinnerungen. Aber er hatte es auch nicht über sich gebracht, den nächsten Flug nach London zu nehmen. Etwas hatte ihn in Nizza gehalten. Und so hatte er sich in ein Drei-Sterne-Hotel nahe des Neptune Strands eingemietet, in dessen Speisesaal er gerade saÃ, um sein Abendessen einzunehmen. Aber der Appetit blieb aus.
»Entschuldigung?«
Er blickte auf, doch es war nicht die Kellnerin, die seine Getränkebestellung aufnehmen wollte, sondern eine unbekannte Frau mit einem auffällig warmen Lächeln. Schlank. Hübsches Gesicht. Erdbeerhaar. Gott, ihn erinnerte wirklich alles an Melissa. Nur der Kurzhaarschnitt hatte nichts mit seiner Freundin gemein. Seiner Exfreundin, korrigierte er sich.
»Ja, bitte?«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?«
Zu ihm? Er war doch im Moment mit Sicherheit der am wenigsten anziehende Mann in diesem Raum, denn seine Niedergeschlagenheit strahlte nach auÃen. Melissa hatte immer sofort gewusst, wenn etwas nicht mit ihm stimmte. Er neigte dazu, ruppig zu werden, und sein Gesicht verzog sich zu einer unfreundlichen Grimasse. Menschen hielten dann Abstand zu ihm. Die Fremde aber lächelte ihn an.
»Meinetwegen.« Oh, er hatte auch schon mal freundlicher geklungen. Wollte er die Unbekannte denn verjagen? Eigentlich war er doch froh, nicht mehr allein essen zu müssen.
»Setzen Sie sich bitte«, verbesserte er sich und stand sogar auf, um ihr den Stuhl zurückzuziehen.
»Sehr charmant, danke.«
»Sind Sie auch allein hier?«, fragte er, nachdem er sich wieder gesetzt hatte.
»Ja. Mein erster Single-Urlaub.«
»Verstehe.« Sie war also Single. Genau wie er. Aber er hatte kein Interesse an einer neuen Beziehung. Die Wunden waren noch viel zu frisch. Alles in ihm sehnte sich nach ÂMelissa.
»Was können Sie mir empfehlen?«
»Wie bitte?«
Sie deutete auf seinen Teller und dann zum Büfett.
Weitere Kostenlose Bücher