Wie Du Mir
Bruder Bobby.“
Der Jahre alte Ewing-Kalauer zog spurlos an Rooney vorüber. Die Augen zu Schlitzen verengt, taxierte er Seán, bevor er sich dichter an Dally drängte.
„Pat will mit dir reden.“
„Was, heute?“
„Jetzt. Er wartet oben.“ Rooney warf einen Blick über die Treppe in den ersten Stock, als bräuchte Dally eine zusätzliche Erklärung, was er mit oben meine.
Dallys Hemdkragen schrumpfte. Unmöglich, sich jetzt rauszuwinden.
Als er sich zur Treppe hinwandte, hielt Seán ihn am Handgelenk zurück.
„Warum kommandiert dich der Schleimbeutel so rum? Der soll sich verpissen.“
„Seán, es dauert nur ’ne Minute, tu mir den Gefallen und –“
„Ist das einer deiner sogenannten Freunde?“ Seáns Stimme wurde gleichzeitig leiser und empörter. „Ein neuer Auftrag?“
Rooney verfolgte ihren Wortwechsel von der Treppe aus.
„Halt dich raus, verstanden?“, zischte Dally zurück. „Das erspart uns beiden Schwierigkeiten.“
Seán sah ihn an, als erfülle sich soeben die Unglücksprophezeiung einer Wahrsagerin. Wenigstens sagte er nichts mehr. Dally entzog ihm sein Handgelenk und folgte Rooney nach oben, seine Schritte übertönt vom Summen tuschelnder, betender Menschen.
„Dein Bruder reißt sein Maul ganz schön auf“, wandte sich Rooney nach ihm um. „Scheint in der Familie zu liegen.“
Dally dachte an Aidans gesplitterte Nase, seine blutunterlaufenen Augen.
„Pass lieber auf deine Fresse auf. Auf ’nem Teenager kannste vielleicht rumtrampeln, aber nicht auf mir.“
Rooney gab sich keine Mühe, etwas abzustreiten. Er wies auf die geschlossene Tür zu Liams und Rorys ehemaligem Kinderzimmer. Bevor Dally die Hand auf die Klinke legen konnte, öffnete sich die Tür von innen. Im Rahmen stand nicht Doherty, sondern Hanlon.
„Komm herein“, raunte er in seinem unvermeidlichen Gälisch. Der republikanische Kaplan in ziviler Mission.
Doherty kam erst zum Vorschein, als Rooney die Tür von außen zuzog. Seine seltsame Distanz erschreckte Dally. Chief Doherty war ein Mann der Extreme. Wut, Triumph, Enttäuschung, Ärger – alles war ihm am Faltenwurf seines Gesichts oder spätestens an den Mundwinkeln anzusehen, tiefe Täler in seinen fleischigen Wangen. Als er Dally jetzt länger als notwendig musterte, lag wenig mehr in seinem Gesicht als Resignation. In den Hosentaschen, in die er seine Hände geschoben hatte, klimperte Kleingeld.
„Ich nehme an, du kennst Brian?“ Er nickte Hanlon zu, der sich auf einem verschnörkelten Mahagonistuhl niedergelassen hatte, Beine übereinandergeschlagen, Hände über dem Knie gefaltet. „Er leitet die disziplinäre Untersuchung der Jaffa Street Operation.“
Disziplinär. Das klang nach mit einem Fuß im Grab stehen – oder noch weiter.
„Was passiert ist, tut mir leid.“
Hanlon neigte den Kopf, als hätte Dally einen neuen Aspekt ins Gespräch gebracht, der es wert war, genau beleuchtet zu werden. Er stand auf und schlenderte zu Doherty.
„Was ist passiert? Eben das würden wir gerne wissen“, sagte er besorgt.
Dass er lieber mit einer Amerikanerin schlief, anstatt ein legitimes Ziel zu eliminieren? Dafür würden sie ihn vierteilen.
„Ich hatte Magenschmerzen und hab’s nicht mehr ausgehalten.“
„Zwei Stunden, bevor du die Einheit treffen solltest.“ Dohertys Ton kündigte die Rückkehr zu seinem cholerischen Selbst an.
„Es waren drei. Das liegt im Rahmen, soweit ich weiß.“
„Was weiter?“
„Ich hab Liam angerufen und bin dann ins Royal.“
Doherty und Hanlon tauschten einen Blick.
„Das ist schlechtes Timing, JR. Lausiges Timing.“
Hinter Dallys Rücken krallte sich seine linke Hand um das Gelenk der rechten.
„Ich weiß. Es tut mir leid.“
„Mehr haste nicht zu sagen?“ Dohertys Lautstärke hatte mit Pietät nicht mehr viel zu tun. „Wir haben eine ganze Einheit verloren, und alles, was dir dazu einfällt, ist ‚ tut mir leid‘ ? Kann sich dein Spatzenhirn zu nichts Intelligenterem aufschwingen?“
Zur Hölle mit dir. Mit euch allen.
„Sie hätten nicht auf die Polizei schießen –“
„Kommst du auch noch mit dieser Besatzer-Propaganda?“ Die letzten Worte schrie Doherty.
Dally sah auf seine Schuhspitzen. Obsidianschwarz, wie Dohertys Pupillen.
„Was ist verdammt noch mal los mit dir? Auf welcher Seite kämpfst du?“
„Behandelt mich nicht wie so ’nen beschissenen Verräter! Ich bin nicht der Erste, der ’nen Einsatz absagt.“
„Dallas, mäßige deinen Ton“, Hanlons Hand
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