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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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lange nicht mehr verstand, vielleicht nie verstanden hatte. Satt, den Tod zu bringen und mit dem seiner Freunde leben zu müssen. Satt, zu hassen und gehasst zu werden. Sein ganzes Leben machte ihn krank.
    Aber zu Chief Doherty gehen und ihm sagen, dass er genug hatte? Dazu hatte er nicht den Mut. Der Armeerat, oberste strategische Instanz der Organisation, würde ihm zwei Stunden geben, um seine Sachen zu packen und von der Insel zu verschwinden. Bestenfalls. Viel wahrscheinlicher würden sie ihn verschwinden lassen .
    Einmal Provo, immer Provo, hatte sogar Lucky einmal gesagt, nur Verräter ändern ihre Meinung. Und was mit Verrätern passierte, ließ sich regelmäßig in der Zeitung nachlesen.
     
    Hinter dem Holzstapel links von Dally säuselte ausgestoßener Zigarettenrauch.
    „JR, bist du das?“
    Liams Stimme verlor auch im Flüstern nichts von ihrer Eindringlichkeit.
    Anstelle einer Antwort richtete er sich auf und tastete sich den Holzstoß entlang zu Liam. Seine Arme und Beine fühlte er kaum mehr.
    Liam stand gegen den Holzstapel gelehnt, die Hände in den Taschen. Er trug seine Armeejacke bis oben hin zugezogen, als hätte ihn seine Mutter zum Spielen fertig gemacht. Im Licht des Vollmondes sah Dally ihn schmal lächeln.
    „Auch eine?“
    Dally betrachtete die Packung Camels.
    „Nee, lieber nicht.“
    Er zog seine Hände in die Ärmel seines Fleecepullovers zurück und steckte sie unter die Achseln.
    Liam stellte keine Fragen, warum Dally hier draußen herumgeisterte. Schweigend rauchte er, während sie im Duett auf den Nachthimmel starrten. Bevor Seán seinen alten Grundschul-Kumpel Lucky mit zu ihren Treffen gebracht hatte, waren sie die engsten Freunde gewesen, Liam und er. Laberbacken als jüngere Brüder, mäßiges Talent im Fußball, Leidenschaft für Jimi Hendrix und T-Rex. Das verband eben.
    „McCarthy meint, du solltest das nächste Mal das Training machen, weil du mehr Ahnung hast vom Zielen als wir alle“, sagte Liam nach einem Räuspern. „Den Jungs geht fast einer ab vor Ehrfurcht vor deiner Präzision.“
    Komplimente waren schwierig. Nie wusste Dally, wie er darauf reagieren sollte, also hob er die Schultern und neigte den Kopf.
    „Doherty sagte mir, du willst bei Luckys Ehrengarde nicht mitmachen.“ Liam pustete eine weitere Rauch- und Kondensfahne in den Himmel.
    „Ich wollte bei Marie bleiben und mich nicht aus dem Staub machen müssen, falls die Bullen sich einmischen.“
    „Kein Problem, war ja kein Vorwurf.“
    Eine lange Pause entstand, bevor sich Liam ihm noch einmal zuwandte.
    „Glaubste, es war einer von uns?“
    „Was meinst du?“
    „Der, der Lucky verraten hat.“
    Dally schnaubte fragile Wölkchen in die Dunkelheit.
    „Keine Ahnung. Du meinst, es war ’n Verräter?“
    „Scheiße, es werden immer mehr, JR. Operationen gehen schief, die UFF schnappt sich so einfach einen unserer Leute – Rory ist ’n Idiot manchmal, aber da hat er recht … das kann kein Zufall mehr sein.“
    „Also für mich wärst du der ideale Kandidat. Was in der Birne, absolut unverdächtig, über jeden Freiwilligen und ’ne Menge Operationen im Bild. Ganz klar ’n Informant, wennde mich fragst.“
    Liams Zähne glänzten zwischen seinen Lippen. In der Dunkelheit sahen sie weißer aus als bei Tageslicht.
    „Was für ein Zufall, ich hatte nämlich an dich gedacht. Protestanten-Mutter, Vater ein sizilianischer Mafioso, isst am liebsten Paaaasta, eh?“, er spitzte seine Finger zur italienischen Klischee-Geste, die Dallys Vater so gerne benutzte, wenn er in Rage war. „Wo ist denn da der republikanische Stammbaum, eh?“ Liam kicherte über seinen eigenen Scherz, bis er husten musste. „Informant. Mann, du bist ’n Genie“, sagte er, als er sich wieder beruhigt hatte. „Biste etwa von der Internen Sicherheit, JR?“
    „Aber verrat’s nicht Rory, sonst verpass ich dir die Daumenschraube.“
    Diesmal lachten sie beide.
    Bisher hatte Dally nur von der Internen Sicherheit gehört. Eine Art Geheimdienst, angeführt von einem aalglatten Typen namens Hanlon, der ihm vor und während seiner Vereidigung über die Verantwortung eines Freiheitskämpfers doziert hatte. Nur die vertrauenswürdigsten Freiwilligen nahm er in die Interne Sicherheit auf, hieß es. Wer genau diese Vertrauenswürdigsten waren, wusste niemand genau.
    Dally legte auch keinen Wert darauf, es jemals herauszufinden. War ein Freiwilliger in den Verdacht geraten, mit den Briten und ihren Handlangern zu kollaborieren,

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