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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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Kamm vorstellbar und reckten sich in alle Richtungen wie Medusas Schlangen.
    Auf den ersten Blick wirkte der Junge weniger gewaltbereit als bedauernswert. Klägliche Haltung, zerzaustes Äußeres, das erstbeste T-Shirt übergezogen. Seine Augen waren der einzige Körperteil, der zum Äußersten entschlossen schien.
    Als könnten sie den Fotografen bei lebendigem Leib verbrennen. Mittel-im-Hemd, ganz eindeutig. Doch da war noch etwas anderes. Eine zaghafte Erinnerung, irgendwo in seinem Hinterkopf. Er versuchte, sie festzuhalten und zu etwas zu formen, das Sinn ergab. Doch der Gedankenansatz verglühte wie ein Streichholz, das nicht genug Reibung für eine Flamme aufbringt. In der Hand hielt der Verhaftete seine „Visitenkarte“ mit Name, Adresse, Geburtsdatum, Datum der Inhaftierung in Castlereagh. 1983. Gerade mal 20 Jahre alt. Will warf einen Blick auf den Namen. Wieder nur ein Funke der Erkenntnis, der es nicht zum Geistesblitz schaffte.
    „Das ist er. Dallas Ferguson.“
    Hugh nickte mit zusammengepressten Lippen.
    „Meine Quelle hat seinen Namen im Zusammenhang mit Callahan erwähnt. Das System hat ’ne Menge interessantes Material über ihn ausgespuckt.“
    Hugh wühlte weiter im Blätterhaufen. Währenddessen lieferte sich Will ein Starr-Duell mit Dallas Fergusons Porträt.
    „Er kommt mir bekannt vor. Nicht nur vom März …“
    Bleib stehen, du Schlampe. Das Poltern, Klatschen, die Furche auf Jennys Stirn. Unglücklich gestürzt, wie es im Nachrichten-Jargon hieß.
    „Siehst du, ich weiß auch, warum.“ Hugh wedelte mit einem Blatt herum, das er inzwischen aus dem Chaos gefischt hatte.
    „Das kleine Arschloch hat ’ne interessante Vergangenheit.“
    Vergeblich streckte Will die Hand nach dem Blatt aus.
    „Dallas Ferguson, geboren am 23. November 1963 in Belfast“, las Hugh vor. „Kein republikanischer Hintergrund in der Familie, Vater Gregory Angelo Palmisano aus ’ner katholischen Familie, die kurz vor dem Krieg von Sizilien nach Belfast eingewandert ist. Hat sich in den späten 50ern von Palmisano auf Ferguson umtaufen lassen, wahrscheinlich um sich besser zu integrieren. Mutter Madeleine Ferguson, Protestantin, aus Cushendall. Gregory Ferguson war in der heißen Phase im August ’71 zwei Tage in Crumlin interniert, da ist aber nichts rausgekommen, anscheinend ’ne reine Hysterie-Verhaftung.“
    Hughs wässrige Augen streiften Wills Gesicht.
    „Klingelt’s schon?“
    Will schüttelte den Kopf und wandte sich Hilfe suchend an die Kopie in seiner Hand.
    Mach schon, sag mir, wer du bist. Woher kenn’ ich dich?
    Dallas Ferguson starrte nur anklagend zurück, als würde er Wills löchriges Gedächtnis ebenso missbilligen wie Hugh.
    „Bis zu seiner Verhaftung ist Ferguson nie im Republikaner-Dunstkreis aufgetaucht. Hat mit 15 die Schule geschmissen und als Maler und Dekorateur in ’nem kleinen Betrieb an der Malone Road gearbeitet. Hat Vorbereitungskurse für die A-Levels begonnen und ’ne Studentin geheiratet, Marie Kennedy aus Newry.“
    „Sagt mir alles gar nichts.“
    „Wart’s ab. Irgendein Nachbar beobachtet am 2. Dezember 1983, dass er ein verdächtiges Paket entgegennimmt, und macht Meldung bei der Polizei. In derselben Nacht nehmen sie ihn hoch. Unter seinem Abwaschbecken finden sie ’ne Knarre, und er kommt nach Castlereagh. Niemand traut der Jammergestalt ’ne IRA-Mitgliedschaft zu, aber auf einmal kommt der auf ’nen Helden-Trip und stellt auf stur. Quinn ist ausgeflippt und hat ihm ordentlich eingeheizt.“
    Hugh kicherte wieder.
    Das Streichholz in Wills Hinterkopf schlug wieder einen Funken.
    Bitte, tun Sie mir nichts, Mister.
    „Quinn hat’s irgendwann zu weit getrieben und ihm die Schulter ausgerenkt. Der Kleine war dann entweder mutig oder dumm genug sich zu beschweren. Als Quinn ihm am nächsten Tag Saures geben will, hat Ferguson ihm …“
    Der Funke wurde endlich zur Flamme.
    „… den Daumenballen fast abgebissen.“
    Hughs Zeigefinger stieß bestätigend in seine Richtung.
    „Quinns Hand war so entzündet, dass sie das nächste halbe Jahr nicht mehr zu gebrauchen war. Sein linker Daumen ist noch immer nicht voll beweglich. – Den Bericht von dem Verhör an dem Tag hast du geschrieben, hab ich gesehen.“
    Will legte sich die Hände vors Gesicht. Vor ihm Dunkelheit – und Dallas Ferguson, das Gesicht voller Schweiß und Panik.
    Ja, er erinnerte sich wieder. Quinns ursprünglicher Verhörpartner hatte sich krankgemeldet, und Will war als Ersatzmann

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