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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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eingeteilt worden. Auf dem Weg zum Verhör hatte Quinn ihn mit notdürftigen Informationsbrocken über den Verdächtigen versorgt und ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass er keinerlei Einmischung wünschte.
    Zehn Minuten reichen mir. Den Schwachkopf knack’ ich wie ein rohes Ei.
    Seinen Zeitplan hatte Quinn sogar unterboten, wenn auch anders als geplant. Will betrachtete Hugh über seine Fingerspitzen hinweg.
    Zum ersten Mal erkannte er echtes Mitgefühl in Hughs Augen anstatt des Suchen-und-Ausschalten-Triebs. Langsam schüttelte er den Kopf.
    „Quinn hätte ihn umgebracht, hätte ich ihn nicht zurückgehalten. Wir mussten ihn rausschmeißen. Mit dem Jungen war danach nichts mehr anzufangen. Saß in einer Ecke und hat gebettelt, ihm nichts zu tun.“
    Schmerz und Wut überfielen Will wie ein Krampfanfall. Er selbst hatte Ferguson vom Boden aufgeholfen und ihn aus der Ecke geführt, in der er wie der Insasse einer Nervenheilanstalt gekauert hatte. Er hatte ihn zur Toilette begleitet, gewartet, bis er sich gewaschen hatte, gemeinsam mit ihm eine Zigarette geraucht und sich ein paar Worte unterhalten, er wusste nicht mehr, worüber. Irgendwann hatte Ferguson zu zittern aufgehört und sich in seine Zelle führen lassen.
    Will hatte ihn bedauert. Seinen Beteuerungen geglaubt. Ihn irgendwann vergessen. Und ihn fast zehn Jahre später wiedergetroffen – in seinem eigenen Wohnzimmer.
    Ferguson war der Terrorist geworden, den Will damals nicht in ihm hatte sehen wollen. Sein verdammtes Mitleid, mal wieder blind für Tatsachen. Einen Moment lang fürchtete Will, sich auf die Unterlagen übergeben zu müssen.
    Er wünschte sich wieder in den Verhörraum zurück, wünschte sich die Gelegenheit, noch einmal allein mit Ferguson sein zu können. Egal, ob mit oder ohne Quinn.
    „Tut mir leid, Kumpel. Ich weiß, du glaubst an die Menschlichkeit, aber da spucken die drauf.“ Hugh legte ihm die Hand auf die Schulter. „Zumindest haben wir ihn jetzt gefunden. Diesmal ist er dran, ich versprech’s dir. Wir müssen nur clever sein bei unseren nächsten Schritten.“
    Will zuckte mit den Achseln. Er fühlte sich erschöpft und sehr alt.
    „Und was wären die?“
    Er beobachtete, wie Hugh die Papiere in den Umschlag zurückstapelte, Dallas Ferguson und Robert ‚Lucky‘ Callahan wieder in die Dunkelheit verbannte.
    Dann reckte er sein Kinn nach vorne, in Richtung von Wills Pint, das wie ein dunkler Leuchtturm aus den weißen Papierwogen ragte.
    „Wie wär’s mit noch ’nem Pint für ’n Anfang?“
     
    In dieser Nacht konnte Will nicht schlafen. Sein Haus, das ihm während seiner Zeit mit Jenny immer bedauernswert klein und eng für eine vielleicht demnächst wachsende Familie erschienen war, dehnte sich aus zu einem leeren Universum, in dem der Weg vom eisigen Bad hinein ins klamme Bett in Lichtjahren gemessen wurde.
    Sekunde reihte sich an Sekunde, Minute an Minute, Stunde an Stunde, gefüllt mit seinen schwarzen Gedanken. Anfangs hatte Will versucht, sich mit simuliert regelmäßigem Atem selbst in den Schlaf zu tricksen. Aber dazwischen hatte sich immer wieder Fergusons Gesicht gedrängt – einmal mit, einmal ohne Maske. Sein Blick zornig, als wüsste er bereits, welche Richtung sein Leben nehmen sollte.
    Hugh hatte vermutet, dass sich Ferguson nach seiner verbüßten Haftstrafe so unauffällig verhalten hatte, dass er bald aus dem Blickfeld des Special Branch verschwunden war.
    „Scheinbar wurde das Risiko durch ihn unterschätzt“, hatte er eingeräumt, als hätte er persönlich Ferguson entkommen lassen. „Aber das wird in Zukunft nicht mehr passieren. Der MI5 wirft keinen Fisch in den Teich zurück, auch wenn er noch so klein ist.“
    Wieder wechselte Will in seine vertraute Einschlafposition. Vergeblich. Noch dreieinhalb Stunden bis zum Aufstehen. Noch zwei Tage bis zu Callahans Begräbnis. Wenn man Hugh glauben konnte, würde dann der Spatenstich für das von Dallas Ferguson stattfinden. Der Gedanke ließ ihn unwillkürlich lächeln, und als die Müdigkeit endlich ihr Versprechen einlöste, lächelte er noch immer.

Vor Sonnenaufgang
     
    Zum ersten Mal seit Tagen gab der Himmel den Blick auf die Sterne frei. Die Luft war klar und hatte die Milde des Septembers restlos eingebüßt. Alles Blut hatte sich aus Dallys Armen und Beinen zurückgezogen, um zumindest seine lebenswichtigen Organe warm zu halten. Aber immer noch besser, hier draußen mit den Zähnen zu klappern als drinnen den Verstand zu verlieren.

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