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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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Seán und vier von Luckys Cousins.
    „Achtung, da ist der Wagen, langsamer und in die Knie“, wies Seán von der anderen Seite an. Als spräche er aus dem Sarg zu Dally. Schnell, an etwas anderes denken oder er musste kotzen.
    Vorsichtig gingen alle in die Knie und setzten den Sarg auf den Metallschlitten des Leichenwagens, traten zurück, während der vierschrötige Fahrer Lucky ins Innere schob und die Klappe schloss. Dally sah ihm nach: die hochglanzpolierte Eiche, die spiegelnden Tragegriffe, die irische Flagge wie ein Tischtuch darüber gebreitet, darauf drapiert Luckys Barett und Handschuhe für offizielle Anlässe. Lucky war immer so überzeugt gewesen, noch zu erleben, wie sich die Briten aus Nordirland zurückzögen. Jetzt säumte eine ganze Allee ihrer gepanzerten Fahrzeuge den Weg zum Friedhof. Wo auch immer er jetzt war, hoffentlich bekam er das nicht mit.
    Dally hob den Kopf und sah Seán ebenfalls in den Fond des Leichenwagens starren. Seine Lider flatterten auf und ab, als hätte er ein Sandkorn im Auge. Ihre Blicke begegneten sich kurz. Seán wich sofort aus.
    Wie viele müssen denn noch ins Gras beißen, bevor die Provos endlich einsehen, dass es vorbei ist? , hatte er noch im Mai an einem langen Abend im McCluskey’s geätzt. Wenigstens der gute alte Gerry hat’s verstanden und versucht es jetzt mit Politik.
    Lucky hatte entgegengehalten, dass die Briten Gerry Adams ohne die Provos im Rücken nicht einmal eine Minute lang zuhören würden.
    Dally, der nach Maries Auszug gerade genug Energie aufbrachte, um aufrecht zu gehen, hatte bloß zugehört und getrunken.
    Als er sich jetzt nach der Trauergemeinde umwandte, die zerstörten Gesichter von Finbarr Callahan und der hochschwangeren Theresa vor sich sah, ihre schlaffen Körper umarmte, sich Theresas Tränen von den Wangen wischte, wurde ihm klar, dass Seán an jenem Abend ihnen allen mal wieder meilenweit voraus gewesen war.
    Lucky war einen sinnlosen Tod gestorben, im Namen eines vereinigten Irlands, von dem keiner außer Lucky mehr so sicher war, ob man es überhaupt wollte. Ein paar theatralische Gesten, öffentlich zur Schau getragene Trauer, das war’s dann. Der Nächste, bitte.
    Der Leichenwagen setzte sich langsam in Bewegung. Zum Friedhof waren es ein paar Hundert Meter die Straße hinunter. So lange mussten die Sargträger ihn an beiden Seiten begleiten. Vorbei an den Bullen, bewegungslos in ihrer Rüstung, die ihnen nur mit Blicken folgten, die dumpfen Schritte Hunderter Menschen im Rücken, bis Lucky von der Ehrengarde übernommen und bis zum Grab getragen wurde.
    Von Westen her trieben Wolken wie eine Herde aufgescheuchter Schafe über ihre Köpfe hinweg. Es war wärmer geworden. Ein angenehmer Tag für eine Beerdigung.
    Kurz hinter dem Friedhofseingang, wo sich die Straße gabelte und ein elliptisches, mit Grabsteinen besprenkeltes Stück Rasen eingrenzte, kamen sie zum Stehen. Die Bullen bezogen in beträchtlichem Abstand nahe dem Nordrand des Friedhofs ihre Position. Jedes republikanische Begräbnis war ein Pulverfass, und man schien eine Konfrontation vermeiden zu wollen. Wie ein Bienenschwarm um ihre Königin sammelte sich die Menge um den Wagen, wartete flüsternd und murmelnd auf die Ehrengarde.
    Schließlich lösten sich aus verschiedenen Richtungen sechs Männer aus der Masse der Trauergäste, alle maskiert und in ihrer traditionellen IRA-Uniform. Dally erkannte sofort die gestählten Körper von Liam und Rory Sullivan. Sie gingen in die Knie und schulterten den Sarg viel müheloser, als es sich für ihn selbst vorhin angefühlt hatte. Langsam trugen sie Lucky weiter in das Gelände des Friedhofs, geschützt von einer menschlichen Mauer. Pfarrer McBride folgte ihnen als Erster, noch vor Theresa und Luckys Vater, die einander gegenseitig stützten.
    Etwas streifte an Dallys Hand, packte sie dann fester.
    „Hey Dad, gehen wir gemeinsam?“ Ben bleckte eine Reihe brandneuer Erwachsenen-Zähne, die noch zu groß wirkten für den Mund eines Neunjährigen. An seiner anderen Hand hing Marie und machte eine zaghafte Begrüßungsgeste. Dally auf sich aufmerksam zu machen war eindeutig nicht ihre Idee gewesen. Trotzdem. Als er sie da stehen sah, mit ihrem Trenchcoat, dem schwarzen Rollkragenpullover und einem knielangen Rock, musste er sie einfach umarmen, fester als ursprünglich geplant. Plötzlich wieder eine Familie.
    Marie erwiderte Dallys Umarmung nach einer kurzen Überraschungspause, ihr Körper so weich und warm an seinem,

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