Wie Du Mir
gemacht? Einen Witwer und Steigbügelhalter für ehrgeizigere, durchtriebenere Kollegen, die keine Scheu hatten vor Abkürzungen durch moralische Grauzonen. Immer der, dem gedankt wurde für seine unermüdliche Mitarbeit und Korrektheit, nie der mit den Lorbeeren auf dem Kopf. Und jetzt musste er sich noch von Hugh, der keinen einzigen Tag mehr Erfahrung hatte als er selbst, in seiner Arbeit dirigieren lassen.
Du bist viel zu anständig für den Erfolg, hatte er Will einmal anvertraut, als sie noch gemeinsam auf Streife gewesen waren, Ende der 60er, in einem wie eine Zeitbombe tickenden Belfast. Ehrlich braucht am längsten, sag ich dir.
Damals hatte er auf Wills Zurückhaltung gegenüber den Frauen angespielt. Plötzlich galt das für sein ganzes Leben.
„Verstanden, Boss. Keine Verarsche, geht klar.“
Will leerte den letzten Rest seines Pints und erwiderte Hughs Zwinkern über den Rand seines Glases hinweg.
Hugh hatte ihn immer heimlich um sein Leben mit Jenny beneidet, das wusste er. Sein Liebesleben hatte sich auf drei Beziehungen von jeweils zweieinhalb Jahren, eine Affäre mit der Frau seines Nachbarn und „Geschichten ohne Bedeutung“ beschränkt. Das alte Polizisten-Klischee vom einsamen Wolf, der sich selten zu Gefühlen hinreißen ließ. Hugh hielt das für ungemein attraktiv – und erstaunlich viele Frauen auch. Sogar Jenny hatte immer entschuldigend mit den Achseln gezuckt, wenn Will sich laut über Hughs Anziehungskraft wunderte.
Sind es die Geheimratsecken? Oder doch der Bierschaum im Schnauzer?, hatte Will immer geraten und ihr kindisches Lachen daraufhin genossen. Wirklich geantwortet hatte sie nie.
Die Tür zum Separee öffnete sich, und herein kam der Barmann, die Finger um vier Pints gespreizt. In seinem Windschatten der kleine Lou und zwei Frauen mit dauergewellten Haaren und Dauerkichern, die Lippen in grellem Rot. Rita und Christine.
„Nur herein“, sagte Hugh und rückte zur Seite. Oliver signalisierte seine Zustimmung mit einem wohlwollenden Nicken.
Rita setzte sich neben Will. Sie hatte eine Menge Goldkettchen um den Hals, und ihr Ausschnitt reichte so weit, dass man tief in die Schlucht zwischen ihren Brüsten sehen konnte. Ihr Altersunterschied zu Will war schon fast obszön.
Sie betrieben Konversation über die ungewöhnlich kalten Temperaturen, und er hmm-hmmte zu ihren Erzählungen über einen Kinofilm, den er nicht kannte, und sie lachte einmal über einen von Wills Witzen, und dann wandte sie sich ihrer Freundin Christine zu, die sich noch immer mit dem kleinen Lou unterhielt, die schafwollartigen Locken fortwährend um ihren Zeigefinger wickelnd.
Hugh nickte ihm aufmunternd zu, doch er winkte ab. Er war zu alt, um zu ignorieren, wenn sich jemand nicht für ihn interessierte. Hugh bemühte sich noch eine Weile darum, Christines Aufmerksamkeit vom kleinen Lou und Oliver abzulenken, doch auch sein eigener Killerinstinkt hatte mit den Jahren offenbar nachgelassen.
Als Will schließlich seinen Aufbruch ankündigte, schloss Hugh sich eilig an.
Sie gingen die Great Victoria Street entlang nach Süden, wo Wills Golf geparkt stand. Es war noch keine zehn Uhr, doch kaum jemand war auf der Straße. Hughs Motorradstiefel quietschten bei jedem Schritt.
Das war Will schon früh an ihm aufgefallen. Alles an ihm machte einen Ton; seine Lederjacke, die Stiefel, von denen er sich auch während der Arbeit selten trennte, sein schwerer, immer etwas angestrengter Atem. Als hätte alles an Hugh dasselbe Mitteilungsbedürfnis wie sein Mund.
Sie passierten das Europa Hotel. Seit einem Bombenanschlag im Mai war es geschlossen. Die Fassade baute sich auf wie ein steinerner Soldat, die geometrischen Fensterreihen gähnten im Schein der Baustellenbeleuchtung noch schwärzer.
„Was hältste von Owens?“, begann Hugh ohne Umschweife.
„Schon okay. Mal sehen, wie er sich morgen anstellt.“
„Und die Fotos? Wie kamst du damit klar?“
Will sah sie vor sich liegen. Alle in Schwarz-Weiß, im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hüfte geschossen von den Special Branch-Leuten, die sich unter die Trauergemeinde gemischt hatten.
Dallas Ferguson, in einem dunklen Anzug auf der Kippe zum Altmodischen, beide Hände von den Hosentaschen verschluckt. Er brauchte nicht direkt in die Kamera zu sehen. Will hatte ihn sofort wiedererkannt.
Die gefälligen Konturen seines Gesichts waren noch dieselben, seine störrischen Locken auch. Doch die fünf Jahre im Gefängnis und weiß Gott welche anderen
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