Wie Du Mir
Holzvertäfelung ihres Separees.
Das gemeinsame Pint war Hughs Idee gewesen. Er konnte weder ohne Arbeit noch ohne Drinks noch ohne Publikum leben, und am liebsten kombinierte er alles.
Na komm, Alter, du gehörst mal wieder auf die Weide. Außerdem wird morgen ’n anstrengender Tag, da brauchste Entspannung, hatte Hugh ihm zugezwinkert.
Will, der an die Akten in seinem Kabinett dachte, an die Fotos von Robert Callahans Begräbnis und dessen Besuchern, an die Liste der Namen, die für eine Verhaftung heute Nacht und ein Verhör morgen vorgesehen waren, hatte ihm in dem Fall zustimmen müssen. Er würde zu Hause ohnehin kein Auge zutun. Warum die Zeit nicht in Gesellschaft verbringen, wenn auch nur für ein paar Stunden? Außerdem wollte er sich nicht schon wieder eine Ausrede überlegen. Nach sieben Monaten vorgeschobener Verpflichtungen gingen ihm die glaubwürdigen Optionen aus. Seit dem zweiten Pint amüsierte er sich sogar ein wenig, und alles um ihn herum war wärmer und freundlicher.
Der kleine Lou, erst seit Kurzem als Detective Constable unter Hughs Kommando und deshalb verpflichtet, seinen Abend anstatt bei seiner Verlobten mit seinem Vorgesetzten und den neuen Kollegen zu verbringen, hatte sich vor geraumer Zeit auf den Weg zum Pissoir gemacht und war seitdem nicht mehr aufgetaucht. Wer konnte es ihm verdenken? Hugh beglückte die Runde schon seit einer Stunde mit Kriegskamellen aus den 70ern. Bloody Sunday, Bloody Friday, welcher Tag der Woche war eigentlich nicht blutig gewesen, damals?
Die ersten Jahre nach ihrer Ausbildung hatten Will und Hugh oft gemeinsam auf Streife verbracht. Evakuierungen, Internierungen, Bombendrohungen und Explosionen, Unruhen, Mord, Vergeltung und Vergeltung für die Vergeltung. Das ganze Panoptikum nordirischer Glückseligkeit.
Ihre Wege trennten sich, als Hugh Mitte der 70er beschloss, endlich die Fäden lieber selbst zu ziehen als ständig dranzuhängen , und in den Special Branch, den Anti-Terror-Zweig der Polizei, wechselte. Will, der sich mehr für den Einzelfall interessierte als für die großen Zusammenhänge, hatte sich nach drei weiteren Jahren an der uniformierten Front für den CID beworben.
Er mochte die geordnete Welt der Prozeduren und liebte Vernehmungen, die Macht des Schweigens und der richtigen Fragen, das Aufstellen von verbalen Fallen. Die Interaktion von Angesicht zu Angesicht – deshalb war er Polizist geworden. Er wollte Unrecht aufklären und für die Opfer zumindest teilweise wiedergutmachen, anstatt dieselben Gesetze zu brechen wie die Täter, so wie das beim Special Branch an der Tagesordnung war.
„Wer das Schwert aufnimmt, wird durch das Schwert umkommen“, beendete Hugh gerade seine Wortspende zum Mord an einem republikanischen Rechtsanwalt unter umstrittenen Umständen. Sein alter Standardsatz, der hatte noch gefehlt. Will grinste.
„Hughey würde am liebsten eine Mauer um West-Belfast rumbauen und drinnen alles abbrennen. Das ist seine Strategie.“
Oliver, inzwischen mit himbeerfarbenen Wangen, nickte und lachte.
„Hört, hört, der Good Cop spricht“, mimte Hugh Verblüffung, wandte sich kopfschüttelnd an Oliver. „Im Gegensatz zu Columbo hier hab ich nie geglaubt, dass in jedem Terroristen ein guter Kern steckt.“ War er betrunken, verliefen die Konsonanten in Hughs Aussprache wie Wasserfarben. Fast war es so weit. „Ich sage: Wenn wir nicht denselben Killerinstinkt entwickeln wie die, verarschen sie uns nach Strich und Faden. Aber das werden wir nicht zulassen, nicht wahr, Sergeants?“
Hughs Grinsen war so breit, dass man die Lücken zwischen seinen Backenzähnen erkennen konnte.
Will versuchte, es ihm gleichzutun. Eine säuerliche Kopie. Zum zweiten Mal seit der heutigen Besprechung mit Superintendent Freeman spürte er den Dorn der Missgunst zwischen seinen Eingeweiden.
Bisher hatte ihm seine fehlende Karriere nie etwas ausgemacht. Er hatte seine Seele nicht verkaufen wollen, nur um einen Stern mehr an der Uniform zu haben. Das hatte er auch Jenny gesagt, wenn sie ihm von O’Tooles Schulterspangen vorschwärmte. Immer hatte er sich an die Regeln gehalten. Nie hatte er ein Geständnis mit Gewalt erzwungen. Er hatte seine Prinzipien, und nach denen handelte er, egal ob Hardliner wie O’Toole das belächelten. Er hatte das Vertrauen von ihnen allen gewonnen: Opfer, Zeugen, Täter. Er hatte ihre Menschlichkeit erkannt, ihre Eitelkeiten und wunden Punkte, und sie so zum Reden gebracht.
Aber was hatte es aus ihm
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