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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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sich selbst mal hören könnten, Seán, das ist ja herzallerliebst!“ Noch immer wiehernd, rieb sich Oliver die Augen, während sich Ferguson auszumalen schien, welchen von Olivers kerzengeraden Zähnen er zuerst ausschlagen würde, hätte er die Möglichkeit dazu. Als er schließlich den Mund öffnete, knirschte der Frost in seiner Stimme.
    „Stimmt. Fünf Jahre ist er gesessen, weil er einem seiner Freunde ’nen Gefallen getan hat, das weiß ich auch. Er hat ’n beschissen verdrehtes Ehrgefühl und diesen Feigling deshalb nicht verpfiffen, und das, obwohl man ihn hier in diesem Gebäude, vielleicht sogar in diesem Raum zu ’nem beschissenen Invaliden gemacht hat. Ja, er war ’n Idiot, aber das macht ihn noch nicht zum Provo. Ich weiß, dass er keiner ist.“
    Oliver öffnete bereits den Mund, doch Will stupste ihn unter dem Tisch.
    „Es ehrt Sie natürlich, dass Sie so schnell bereit sind, für Ihre Familie die Hand ins Feuer zu legen. Ich nehme an, Sie haben eine ähnlich hohe Meinung von Ihrem kürzlich verstorbenen Freund Lucky?“
    „Er war Republikaner, ja, aber nicht mehr.“ Unbehaglich rückte Ferguson auf seinem Stuhl hin und her, seine Arme in Abwehrposition.
    „Seán, Ihre Naivität überrascht mich.“
    „Für euch ist doch jeder aus West-Belfast ’n Provo! Gut, mein Bruder hat mal wegen ’ner Dummheit eingesessen. Einer meiner Freunde kommt aus ’ner republikanischen Familie. Das ist ja ’n großer Beweis. Zaubern Sie jetzt noch meine Mutter aus dem Hut? Die ist zwar Protestantin und macht immer ihre kreuzbraven englischen Sandwiches, aber das kann alles Tarnung sein. Das sollten Sie mal näher untersuchen, oder besser, schieben Sie mir ’ne Wanze in den Arsch, dann geh ich für Sie spionieren.“
    Oliver streifte Will mit einem Blick, der ihm leicht zunickte. Der Boden war bereitet.
    „Vielen Dank für das Angebot.“ Olivers Finger glitten wie Fühler zwischen die Deckel seiner Akte. „Davor werde ich Ihnen aber noch ein paar Kleinigkeiten über Dallas ‚JR‘ Ferguson und Robert ‚Lucky‘ Callahan erzählen. Während Sie in den letzten Jahren Anzeigen an den Mann brachten, wurden diese beiden hochanständigen Herren nämlich Partner, wussten Sie das?“
    Ferguson zuckte lustlos die Schultern.
    „Nur war ihr Geschäft nicht die Werbung, sondern Mord.“
    Geschickt platzierte Oliver ein Foto der Spurensicherung in Fergusons wanderndes Blickfeld: ein Mann auf der Eingangstreppe seines Hauses. Sein dunkel bekleideter Körper und die großflächige Blutlache rund um Brust und Schultern verliefen zu einer unförmigen Einheit.
    „Darf ich vorstellen? Matthew Geraghty, 36, Vater von zwei Töchtern. Erschossen im Hauseingang von einer IRA-Einheit, als er von der Arbeit zurückkehrte. Wissen Sie, welche zwei Ihnen gut bekannten Menschen dieser Einheit angehören, Seán?“
    „Das ist nichts als Bullshit“, murmelte Ferguson. Langsam wogte sein Kopf hin und her, als wollte er ihn schütteln, könnte sich aber nicht entscheiden, in welche Richtung.
    Nächstes Foto. Eine zusammengesunkene Gestalt am Lenkrad eines Autos, eine Blüte aus Blut, Haaren und Knochen an der Schläfe.
    „Reserve-Offizier Bill Dunsmoore, 24, verheiratet, war auf dem Weg zu seiner bettlägerigen Mutter, als es ihn erwischt hat. Nur ein Schuss. Ihr Bruder arbeitet äußerst effizient.“
    „Warum zeigen Sie mir das? Niemand, den ich kenne, hat das getan.“
    Nächstes Foto. Ein Stück Oberkiefer ragte aus dem Durcheinander, das einmal ein Kopf gewesen war. Ferguson gab ein röchelndes Geräusch von sich. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Worte schienen ihm abhandengekommen zu sein. Winzige Schweißtropfen glitzerten zwischen den schwarzen Bartstoppeln auf seiner Oberlippe.
    Schweigend legte Will noch ein Foto des dritten Opfers nach.
    „Ich will das nicht sehen!“ Ferguson sprang von seinem Stuhl auf, sah hinter sich die Mauer, vor sich Will und Oliver, und flüchtete sich in die nächstbeste Ecke des Raums. Dort blieb er stehen, den Kopf in den Nacken gelegt, Augen geschlossen.
    Will erhob sich, zückte seine Packung „Notfall-Zigaretten“, die zu seiner Grundausstattung bei jeder Vernehmung gehörte, und tippte ihm damit an die Schulter. Fergusons Blick schnappte nach ihm wie eine Otter, doch er konnte wie so viele dem Lockruf des Nikotins nicht widerstehen. Er nahm zwei, rauchte eine nach der anderen mit tiefen, angestrengten Zügen.
    „Warum zeigen Sie mir das?“, wiederholte er

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