Wie Du Mir
Detail einprägen.
Minuten vergingen, nichts geschah. Einatmen, ausatmen. Leises Quietschen, als Oliver auf seinem Stuhl kippelte. Seine Ungeduld, wieder das Wort zu ergreifen, war ihm anzusehen. Ebenso wie Will wusste er, dass dieses Schweigen nur die Ruhe vor dem Sturm war. In Fergusons Kopf wurden Schlachtreihen formiert und umgestellt, Strategien erwogen und wieder verworfen.
„Lassen Sie sich Zeit, wir haben sieben Tage“, warf Oliver ein, nachdem sich Fergusons Kopf noch immer nicht gehoben hatte. Immer diese Jungspunde. Will deutete Oliver mit einem Kopfschütteln an, sich zurückzuhalten.
Endlich hob Ferguson den Blick, die Stirn in gequälten Falten.
„Was wollen Sie von mir hören?“
„Die Geschichte zu diesem Foto. Solange sie wahr ist, versteht sich.“
Ein konzentriertes Nicken, als hätte Will ihm komplizierte Handlungsanweisungen gegeben, die er sich merken wollte.
„Das war eine Beerdigung gestern.“ Er sah weder Oliver noch Will in die Augen. Sein Akzenthybrid verschob sich wieder von Belfast in Richtung Dublin. Je weicher seine Aussprache, desto mehr hatte er sich unter Kontrolle. „Ein Freund von mir wurde ermordet.“
„Wie kommt es, dass Sie hier einer der Hauptakteure sind? Nicht jeder würde sich so einsetzen, um einen Teenager aus einem Polizeikordon freizuboxen. Welches Verhältnis haben Sie zu ihm?“
„Halten Sie mich deshalb hier fest? Weil ich dem Kleinen geholfen habe?“
„Sie sollten sich darauf konzentrieren, Fragen zu beantworten , Seán.“
„Hab ich doch die ganze Zeit getan. Und jetzt stelle ich mal eine, na und? Bekomm ich jetzt die Castlereagh-Behandlung?“
„Jetzt lassen Sie mal die Klischees im Schrank, Seán. Niemand hier hat die leiseste Absicht, Ihnen was zu tun. Glauben Sie nicht die Ammenmärchen, die Sie auf der Falls Road so hören.“
Arschloch , telegrafierten Fergusons Augen an Will.
„Gentlemen, mir ist vor allem wichtig, dass ich so schnell wie möglich nach Dublin komme. Meinetwegen fragen Sie, was Sie glauben fragen zu müssen, ich werde kooperieren. Aber mit diesem paramilitärischen Scheiß will ich nichts zu tun haben. Wollte ich auch nie, das müssen Sie mir glauben.“ Ferguson setzte sich auf dem Stuhl zurecht, zupfte an seinem Jackett, als wollte er dessen Qualität prüfen.
Der verdammte Kerl schien seine Taktik ständig zu ändern. Und eigenartig, Will glaubte ihm, trotz seines ungreifbaren Charakters.
Oliver tippte sich mit dem Kugelschreiber gegen seine untere Zahnreihe und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
„Aber, aber, was würde denn Ihr Bruder zu so einem Kommentar sagen?“
Obwohl diese Andeutung auf Dallas Ferguson eine Handgranate in Wills Eingeweiden zu zünden drohte, musste er zugeben, dass diese Falle nicht schlecht gelegt war. Und Ferguson stolperte in seinem katholischen Glauben daran, der RUC wüsste jedes Detail über jeden Nordiren, geradewegs hinein.
Sein markant spitzes Kinn, das er mit den meisten seiner männlichen Familienmitglieder zu teilen schien, deutete auf das Foto. „Der ist ’n dummer Teenager, der hat nichts mit den Provos zu tun, das garantier’ ich Ihnen höchstpersönlich.“
Also doch. Der Unruhestifter war ebenfalls einer der Ferguson-Brüder. Mission eins konnten sie abhaken. Es war eine reine Vermutung gewesen, denn von Aidan Ferguson war bisher nur ein Name ohne Bild oder weitere Informationen in ihrer Datenbank vertreten. Diesen Rowdy würden sie sich bei der nächsten Gelegenheit vornehmen. Gut möglich, dass er tatsächlich nichts mit den Paramilitärs zu tun hatte. Trotzdem: Eine ernsthafte Unterhaltung würde ihm auf keinen Fall schaden.
„Ich meinte auch nicht den Kleinen vom Foto“, ging Oliver nahtlos in Stufe zwei der Vernehmung über. „Klar verstehe ich, dass Sie ihn aus den Klauen der Polizei befreien wollten. Familienbande sind doch wichtig, nicht?“ Er zwinkerte Ferguson vertraulich zu, doch der musterte mit Leidensmiene den Aschenbecher vor sich. „Ich meine den anderen …“, als wäre er ein Zauberer und dies sein Kartentrick, zupfte Oliver das Foto von Dallas Ferguson im Gespräch mit Brian Hanlon aus der Akte und klatschte es auf den Tisch, „… Sie wissen schon, den Provo.“
Selten hatte Will jemanden so schnell seine Gesichtsfarbe wechseln sehen.
„Blödsinn“, stieß Ferguson gemeinsam mit einigen Speicheltropfen hervor. Einer landete auf Brian Hanlons Fotogesicht. „Blödsinn.“
Oliver brach in herzhaftes Lachen aus.
„Wenn Sie
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