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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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hatte alle Nachrichten gelöscht, ein paar Sachen gepackt und war am nächsten Tag nach Dublin gefahren.
     
    Der Empfang war wenig herzlich. Ein Mädchen mit Nickelbrille und nachlässigem Pferdeschwanz musterte ihn hinter der hellgrün gestrichenen Tür hervor, als erwarte sie sein Angebot, einen Staubsauger zu kaufen.
    „Bist du Barbara?“ Sie runzelte bloß die Stirn. Er trat einen Schritt zurück. „Das ist doch Pearse Square 8, nicht wahr?“
    „Hmmm, ja warum?“, nickte sie und räusperte sich.
    „Ich bin Dally aus Belfast.“
    Endlich kam Bewegung in ihr Gesicht.
    „Ach, du bist Dally.“ Sie lächelte schief, und die Tür ging auf. „Ich dachte, da steht Seánie vor der Tür, nur noch dünner“, erklärte sie in ihrem Dubliner Singsang. „Das hat mich echt verwirrt für ’ne Sekunde.“
    Dally wollte protestieren – als ihm einfiel, dass er die letzten Wochen über fünfzehn Pfund verloren hatte. Außerdem schien Barbara noch kein einziges Foto von ihm gesehen zu haben.
    „Seán erzählt wenig“, gab sie freimütig zu, nachdem Dally sein winziges Zimmer mit Blick auf weitere Backsteinhäuser bezogen hatte und eine Tasse eigentümlich riechenden Tees in der Hand hielt. „Ich hab’s aufgegeben zu fragen. Er will eben mit seinem alten Leben nichts mehr zu tun haben.“
    Seán tauchte den ganzen Abend über nicht auf, und Dally fand noch so einiges mehr heraus. Dass sie selbst Gälisch studierte und dass dieses Haus Barbaras Großeltern gehörte, doch Seán wolle unbedingt etwas Eigenes und habe schon was im Auge drüben in den Docklands, da gebe es nämlich noch günstige Häuser. Dass Seán immer nur arbeite, auch in seiner Freizeit.
    Anfangs hatte Dally befürchtet, sie würde ihn zu viel über sein Leben ausfragen, ihre Chance auf Auskunft nutzen wollen. Deshalb hatte er zu jeder ihrer soft-revolutionären Ansichten geschwiegen. Und auch mit keinem Wort erwähnt, dass er selbst fließend gälisch zu sprechen gelernt hatte, um nicht über seine Beweggründe lügen zu müssen.
    Barbara schien jedoch an Geheimnissen nicht interessiert zu sein. Mühelos plapperte sie sich durch jedes erdenkliche Thema, die endlose Wirtschaftskrise, deren prognostiziertes Ende, ihre Phobie vor Friseuren. Außerdem bezeichnete sie Colm O’Riordan, Dallys unbekannten Auftraggeber, als einen typischen Neureichen, „mit denen sich Seán in letzter Zeit so rumtreibt. Nur auf Geld aus, keinen Tropfen Blut in den Adern“.
    Dally wusste darauf nichts zu antworten, und das anschließende Schweigen klaffte immer weiter zwischen ihnen, sodass am Ende nicht einmal mehr Barbaras Geschwätzigkeit einen Weg fand, es zu überbrücken, und er verabschiedete sich in sein Zimmer.
    In der Nacht hörte er Seán über die Treppe nach oben schleichen.
     
    Inzwischen war Dally klar, dass der Grund dafür nicht Seáns Rücksicht gewesen war – er ging ihm systematisch aus dem Weg.
    Barbara, die er gestern darauf hingewiesen hatte, dass er Seán in der Woche seit seiner Ankunft in Dublin tatsächlich noch kein einziges Mal begegnet war, hatte nur betreten gelächelt.
    So ist er eben. Unter der Woche seh ich ihn auch kaum. Und wenn, hört er lieber seinem Discman zu.
    Dally glaubte ihr kein Wort. Nein, in seinen Augen lag der Fall ganz anders: Seán hatte Dallys Dienstleistung schon vor seiner Verhaftung versprochen und nun keinen Rückzieher mehr machen wollen. Jetzt, da er den Geist seiner unrühmlichen Familienbande aus der Flasche gelassen hatte, versuchte er, den Kontakt mit seinem Bruder, dem Mörder, zu minimieren. Hoffte, dass Dally sein Versprechen für ihn einlösen und dann aus Dublin und idealerweise seinem Leben verschwinden würde.
    Der Drang, Seán eines Nachts abzupassen und ihn zur Rede zu stellen, war anfangs beinahe überwältigend gewesen. Doch mit jedem Blick auf die Dublin Bay, das normale Leben da draußen, wurde seine Wut zahnloser, und nach täglich zwölf Stunden Arbeit war er einfach nur noch müde. So verschob er eine Konfrontation mit Seán von einem Tag zum nächsten, und heute war er nicht einmal mehr morgens dazu fähig gewesen, seinen Zorn anzufachen.
    Was sollte es. Es war Geld, und es war Ablenkung. Colm O’Riordan stellte sich überdies als enthusiastischer Auftraggeber heraus, der auffällig bebrillt, in Business-Anzug und stets knallfarbigen Schuhen in regelmäßigen Abständen hereinschneite, um den Fortschritt der Arbeit zu begutachten und lauthals Dallys Arbeit zu loben. Ihm war schon

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