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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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die Gedankenspirale weiter und weiter; während seines letzten Abends bei Seán, einen vegetarischen Auflauf von Barbara kauend; während seiner Fahrt zurück nach Belfast; während seiner schlaflosen Nacht in seinem widerwärtig leeren Haus. Kein Ausweg, nur die Erkenntnis, dass er schon wieder bei der gleichen Frage angekommen war. Was sollte er Liam sagen?
    Fast erleichtert hatte er am nächsten Morgen abgenommen, als das Telefon erneut klingelte. Zumindest musste er jetzt eine Entscheidung treffen, in irgendeine Richtung.
    Tatsächlich dran gewesen war Sandra. Geschäftlich in Belfast. Ihr Geschäftskontakt war krank geworden, und so begann ihr Wochenende heute Nachmittag. Ob er schon was vorhabe?
     
    Da saß sie, nur zwei Stunden später. Die perfekte Sandra, in seinem Volvo, die Haare um die Kopfstütze wuchernd. Sie hatte vor dem York Hotel gewartet, im Jeansrock, einem grob gestrickten Pullover und mit einer großen, runden Sonnenbrille, die sie als Haarreifen benutzte. Ihre Umarmung war überschwänglich und ihr Kuss ausgehungert gewesen, als wäre er ihr vom Krieg heimgekehrter Ehemann.
    Zeig mir, woher du kommst, hatte sie in einem Ton vorgeschlagen, der Widerrede nur vom Hörensagen kannte. Versucht hatte er es trotzdem.
    Was soll’s sein? Polizeistationen in Stacheldraht, republikanische Denkmäler?
    Doch ihr Lachen hatte sich seinen Willen sofort Untertan gemacht. Zumindest auf seinen Kompromissvorschlag, nicht in Belfast zu bleiben, sondern die Küste entlang nach Westen zu fahren, war sie eingegangen. Seitdem hatten sie das Auto kaum verlassen. Nicht einmal bei einem Zwischenstopp am Torr Head, wo sie sich zwischen ihn und das Lenkrad geklemmt, ihres Pullovers entledigt, den Blick auf den Spitzen-BH direkt darunter freigegeben und ihm den ersten Orgasmus mit Blick auf den Mull of Kintyre beschert hatte. Als sie kurz vor ihm kam, füllte ihr Aufschrei das Auto ganz und gar aus. Ihre Karten lagen auf dem Tisch, so viel stand fest.
    Bei Kartoffelspalten, Zwiebelringen und Cocktail-Würstchen in Ballycastle tischte sie ihm weitere Details aus ihrem Leben auf. Eine schiffbrüchige Affäre mit ihrem Boss, die sie vor einem Jahr nach Irland getrieben hatte; Eltern, die nur für ihre Anwaltskanzlei und den Erfolg lebten; eine Schwester, die zwar halb so erfolgreich in Studium und Beruf, aber dafür doppelt so beliebt war und verheiratet und dreifache Mutter.
    Mit Dallys sparsamen Antworten auf ihre Fragen gab sie sich zufrieden, drang nie so weit in sein Leben vor, als dass es ihm nicht gelungen wäre, heikle Themen zu vermeiden. Nicht einmal die Tatsache, dass Dally verheiratet war, schien sie mehr zu interessieren.
    Als sie nach dem Pub im Auto saßen und Dally den Motor starten wollte, wandte sie ihm plötzlich ihr Gesicht zu, die Wangen erhitzt von den zwei Pints Harp, die sie getrunken hatte.
    „Sag mal, hast du jemals die wahre Liebe erlebt? Ich bin 33 und hab schon so viele Frösche geküsst, dass ich keine Illusionen mehr hab. Was ist mit dir?“
    Er wusste darauf nichts zu sagen, also wischte er ihr mit dem Daumen die fettigen Krümel von Kartoffeln und Panade aus den Mundwinkeln.
    „Schätzchen, ich glaub, du hast zu viel Bier intus.“
    „Kannst du denn nie eine anständige Antwort geben? Ich mein das ernst!“
    Gute Frage. Bisher hatte die niemand gestellt. Natürlich hatte er als Teenager an ein paar Mädchen rumgefummelt – meistens im volltrunkenen Zustand beider Beteiligten. Dann waren schon Marie und ihre gelassene Mütterlichkeit gekommen. Mit ihr hatte er zum ersten Mal etwas wie Zukunftspläne gehabt. Seinen Abschluss nachholen. Ein eigener Malerbetrieb vielleicht. Kinder. Er hatte sich immer gut aufgehoben gefühlt bei ihr.
    Mit Sandra war da nur noch dieses leichte Gefühl im Kopf. Der Drang zu lächeln, wenn sie etwas sagte, das Bedürfnis, sie anzufassen. Ihre Haare, Hände, die Arme mit den vielen rötlichen Muttermalen. Mit ihr fühlte er sich wie der Mensch, der er hätte werden können, hätte er nicht vor zehn Jahren Micks verdammte Waffe entgegengenommen.
    „Naja, vielleicht erleb ich sie grade.“
    Sandra lachte auf.
    „Das klingt fast ernst gemeint, Dally! Du bist echt süß, weißt du das?“
    Dann kicherte sie, und einen Augenblick wusste er nicht, ob er sie küssen oder ohrfeigen sollte. Er entschied sich für einen Kompromiss.
    „Autsch, meine Lippe! Du bist ja verrückt!“ Tränen glitzerten in ihren Augen, doch sie kicherte weiter, saugte an der Innenseite ihrer

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