Wie Du Mir
ist?“, begann Doherty ansatzlos zu brüllen, und das goldene Kreuz um seinen Hals pendelte wie wild am Hemdkragen. Seine Erscheinung glich einer zu kurz geratenen Kegelfigur: runder Kopf, abfallende Schultern, gedrungener Körper.
„Die erste Besprechung für Jaffa Street war gestern. Bis zur Operation sind es nicht mal zwei Wochen, und er hätte mit dabei sein sollen. Warum ist er nicht aufgetaucht?“, übernahm Hanlon mit der Stimme einer überfürsorglichen Mutter. Wie immer sprach er Gälisch, der Snob.
Doherty und Hanlon hatten das „Good Cop, Bad Cop“-Spiel wirklich drauf.
„Du hättest ihn auftreiben sollen, Sullivan, und was ist passiert? Er spaziert noch immer in Dublin durch die Gegend.“
In Liam begann es zu brodeln.
„Tut mir leid, aber er ist nicht erreichbar, auch nicht bei seinem Bruder. Wahrscheinlich ist er immer noch auf der Bau-“
„Mir scheißegal, wo dieser Wichser ist! Er sollte überhaupt nicht außerhalb von Belfast sein, ohne sich bei uns abzumelden, verdammt noch mal.“
Dohertys Fäuste sahen aus wie Rammböcke.
„JR ist kein Kind, er weiß schon, was er tut.“
„Das weiß er eben nicht ! Dieser Knallkopf liefert eine hirnverbrannte Aktion nach der anderen. Und du verteidigst diesen Verräter immer noch?“
„Dublin macht ihn noch nicht zum Verräter. Ich hab Marie gefragt. Er hat ’nen Auftrag bekommen, ’n Haus anmalen oder so.“
„Ach, und Florida Drive? Und dass er zufällig nicht da war, als die Loyalisten Lucky erwischt haben, obwohl er sich mit ihm verabredet hatte? Und dass er uns bei Luckys Begräbnis gesammelt vor den Kopf stößt?“
Feine Speicheltropfen landeten auf Liams Wange. Er widerstand dem Impuls, sie abzuwischen, und behielt die Hände auf dem Rücken verschränkt.
„Das macht ihn zum Idioten, aber nicht mehr. Ich bin mir sicher –“
„Aufhören, ich halte dieses Gelaber nicht mehr aus!“ Dohertys Kopf war inzwischen hochrot, Hanlon dagegen hatte etwas von einem Vampir. Dohertys Zeigefinger tanzte vor Liams Gesicht.
„Ich sag dir eins: Wenn du’s nicht schaffst, mit JR Klartext zu reden, nur weil ihr beiden in denselben Sandkasten gepisst habt, biste die längste Zeit Kopf dieser Einheit gewesen. Mit euch Verräterpack werden wir aufräumen!“
„Pat, ruhig Blut“, schaltete sich Hanlon von seinem Stuhl aus ein. „Wir wollen das hier nicht zur Hexenjagd verkommen lassen.“
Liams Herz schien überall gleichzeitig in seinem Brustkorb zu schlagen.
„Werden wir jetzt alle in denselben Topf geworfen? Wird Lucky plötzlich auch als Verräter abgestempelt? Ohne eine ordentliche Untersuchung?“
„Reiß dich zusammen Freiwilliger, du sprichst mit einem Vorgesetzten.“ Hanlon war von seinem Stuhl aufgeschossen, sein Ton empört über die Entgleisung. Er war kleiner als Liam, aber größer als Doherty. Seine schmatzende Aussprache war hinter seinem Rücken immer wieder Ziel von Respektlosigkeiten der Freiwilligen gewesen. Es war so einfach, ihn zu unterschätzen.
„Tut mir leid. Ich bitte um Verzeihung.“
„Pat, er hat recht“, wandte sich Hanlon wieder an Doherty. „Wir dürfen nicht den Kopf verlieren. JR ist einer unserer besten Leute.“
„ War , mein lieber Brian, das war er mal. Bevor er völlig seinen Verstand verloren hat.“
„Er ist bei den jungen Freiwilligen gut angeschrieben. Wenn wir uns um ihn kümmern wollen, dann darf es keine Überreaktion sein.“
Missmutig brummend trollte sich Doherty wieder zum Fenster.
„Was schlagt ihr also vor?“
Liam spürte Hanlons aufmerksamen Blick auf sich.
„Ich finde, wir sollten ihm noch eine Chance geben. Wenn ihr JR jetzt zu Unrecht hart ran nehmt, habt ihr alle Jungs gegen euch, und ihr füttert den Briten noch mehr Informanten. Bei der Jaffa Street Operation wird sich zeigen, wie es mit seiner Loyalität aussieht. Bis dahin sollten wir ihm vertrauen.“
„Ich hab ihm so lange die Stange gehalten, seit März schon, und er hat mich angespuckt.“ Doherty klang unwirsch, doch Liam konnte hören, dass er ihn so gut wie auf seiner Seite hatte. Er wollte von JRs Unschuld überzeugt sein. Schließlich hatte er JR gegen Hanlons Einwände in die Einheit geholt.
„Er hat ’ne Krise wegen Lucky“, sagte Liam. „Wenn wir ihn da gleich fallen lassen, haben wir ihn verloren. Er ist zu gut dafür.“
„Sullivan II kann auch zielen. Willste nicht lieber deinen Bruder als Nummer eins haben?“ Doherty machte sich keine Mühe, seinen Sarkasmus zu verbergen. JR war
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