Wie Du Mir
Lippe.
„Das hast du Miststück verdient. Ich schütte dir mein Herz aus und du trittst drauf. Aber ich mach’s wieder gut, okay?“
„Bleib mir vom Leib!“ Ihr Kreischen verschlug ihm die Ohren, doch er hielt ihr Gesicht mit den Händen fest und leckte ihre Lippen an der verletzten Stelle. Danach kicherten sie eine Weile gemeinsam, bevor Dally den Volvo startete.
Nach fünfzehn Minuten Fahrt räusperte sie sich zum ersten Mal.
„In nächster Zeit werde ich immer wieder in Belfast sein. Wir wollen einiges in Immobilien investieren. Die politischen Entwicklungen sind vielversprechend, und wir wollen so schnell wie möglich einen Fuß in die Tür kriegen.“
„Wer will denn in die Scheißstadt schon Geld stecken?“
Sandra lachte milde.
„Denk doch mal weiter. Alles munkelt von Friedensverhandlungen. Wenn es so weit ist, verdient der Schnellste am meisten. Und ich hab nicht vor, hinterherzuhinken.“
„Klingt sehr amerikanisch.“
„Was soll das denn heißen?“ Ihr Ton hatte eine Schärfe angenommen, die Dally nicht gefiel.
„Vergiss es, war nur Spaß. Wirst du wieder im York Hotel wohnen?“
„Ja. Eigentlich wollte ich ins Europa, weil es das meistbombardierte Hotel der Welt ist. Leider ist es geschlossen.“
Dally schüttelte den Kopf und lachte.
„Keine Sorge, im York wurden auch schon Leute umgebracht.“
„Wird man hier oben so kaltschnäuzig oder bist das nur du?“, schnappte sie zurück. Sarkasmus war keine ihrer Stärken.
„Ich glaub nicht, dass du ’ne Ahnung hast, wie wir hier oben sind.“
„Aber du kannst Amerikaner so einfach geldgierig nennen, das ist okay?“
Nachtragend war sie also auch. Es war wie mit Marie, nur mit anderem Akzent. Die Luft im Auto erschien ihm dumpf, und er öffnete das Fenster einen Spalt.
Eine Traube rot-blau blinkender Punkte tauchte vor ihnen am Horizont auf. Davor eine Kette an Bremslichtern.
„Was ist da vorne los?“ Sandras Stimme drang wie aus einem Tunnel zu ihm herüber. Polizei, ganz unverkennbar. Vielleicht auch Armee.
„Straßenkontrolle.“
„Oh“, sie klang unbekümmert. „Hoffentlich dauert’s nicht zu lange. Ich hätte nämlich noch Lust auf einen Drink im Hotel.“
Ihre Hand krabbelte von seiner nach unten, hin zum Schritt seiner Hose.
Sein Mund war so trocken, dass ihm das Schlucken schwerfiel. Verdammt. Jetzt umzudrehen würde Verdacht erregen. Sie mussten durch. Im Geiste kontrollierte er seine Checkliste, die ihm für den Fall einer Begegnung mit den Briten eingehämmert worden war. Ruhig bleiben. Kooperieren. Hoffen.
„Hast du ’nen Ausweis dabei?“
Die Wärme von Sandras Hand zog sich zurück. Wortlos reichte sie ihm einen Reisepass in einer Lederhülle.
Die Autos bewegten sich im Schritttempo vorwärts.
Ruhig bleiben. Kooperieren. Hoffen. Er hatte nichts bei sich, was einen Grund für seine Verhaftung gab. Abgesehen von sich selbst.
„Meinst du, die durchsuchen uns?“ Sandra klang erfreut darüber, dass etwas Aufregendes passierte. Er hob nur die Schultern.
Die Kolonne rückte weiter. Möglich, dass es eine Operation gegeben hatte, und jetzt wurde die Umgebung dichtgemacht. Fuhr da vorne nicht ein Auto an den Rand? Seán hatte damals gesagt, dass die Bullen jetzt alles wüssten. Wenn das stimmte, würden sie ihn vielleicht vom Fleck weg verhaften und Sandra gleich mit.
Noch ein Wagen, der an den Straßenrand gewiesen wurde. Eine Frau stieg aus. Der Bulle deutete auf ihre Windschutzscheibe. Sein Gesichtsausdruck wirkte zurechtweisend, aber gutmütig.
Wahrscheinlich nur eine normale Verkehrskontrolle. Führerschein, Zulassung und das war’s. Vielleicht hatten die Bullen in Seáns Verhör sowieso nur geblufft. Das taten sie meistens.
Nie wissen die so viel, wie sie behaupten, sagte Doherty immer. Wenn du nichts sagst, können sie gar nichts machen.
„Sag mal, hast du ein Radio?“ Sandras Stimme war schneidend.
„Na klar, du musst nur an dem Knopf hier –“
„Das weiß ich“, unterbrach sie gereizt, „ich frag mich bloß, warum du mich plötzlich ignorierst, seit diese blöde Sperre da aufgetaucht ist.“
„Tut mir leid.“ Das war ein Reflex gewesen. Hatte er sich tatsächlich gerade entschuldigt?
„Was ist los, plötzlich sitzt du da wie ein geblendetes Reh und reagierst auf nichts mehr. Ist doch nur ’ne lausige Fahrzeugkontrolle.“
Konnten zwei Pints sich tatsächlich so persönlichkeitsverändernd auswirken? Egal, auf jeden Fall stank ihm dieses Gezicke.
„Was weißte denn
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