Wie ein Blütenblatt im Sturm
sagte Maggie anerkennend. »Aber nun sollten Sie sich ein wenig ausruhen, Sie müssen ja vollkommen erschöpft sein.«
Maggie zeigte ihr ein Gästezimmer, dann ließ sie einen Arzt rufen, der ihre Verletzungen untersuchen sollte. Anschließend setzte sie sich mit Hélène ins Eßzimmer, um die Unterlagen zu studieren, die Cynthia mitgebracht hatte. Das meiste davon bestand aus rätselhaften Notizen von der Art, die man niederkritzelt, während man nachdenkt
- fast unmöglich für jemand anderen, davon etwas zu verstehen. Dann gab es eine Liste von Spielsystemen, eine andere, auf der detaillierte Summen standen - Gewinne oder Verluste wahrscheinlich.
Maggie war zwar enttäuscht, sagte sich aber, daß selbst ein Tölpel wie Northwood kaum etwas herumliegen lassen würde, was zu verräterisch war - immer vorausgesetzt, der Mann hatte über seine offenbar angeborene Gemeinheit hinaus wirklich noch Dreck am Stecken. Geheime Schubladen waren nichts Außergewöhnliches, und wenn man etwas Wichtiges finden wollte, würde man zuerst dort danach suchen. Sie selbst hatte auch so ein Geheim-fach in ihrem Tisch, das sie mit glühenden, aber falschen Liebesbriefen vollgestopft hatte. Wenn es jemand fände, würde es ihren Ruf als leicht hirnlose Schlampe bestärken. Sie und Robin hatten sich vor Lachen kaum halten können, als sie die Briefe gemeinsam geschrieben hatten …
Die Erinnerung schmerzte, also wandte sie sich schnell dem nächsten Papier zu. Ein hingekritzelter Satz sprang ihr sofort ins Auge. »Anderson - Spion? Mögliche Gefahr!«
Hélène sah es zur gleichen Zeit. Mit gepreßter Stimme sagte Maggie: »Das beweist gar nichts gegen Robin.«
»Nein, keinesfalls«, stimmte Hélène zu. »Du glaubst noch immer an seine Schuldlosigkeit, nicht wahr, mon amie?«
»Ja«, erwiderte Maggie ohne Umschweife. »Ich denke, er ist untergetaucht, weil er einmal zu oft zu nah ans Feuer geraten ist.« Mit brennenden Augen breitete sie das letzte Stück Papier vor sich aus.
Die Skizze darauf überraschte beide Frauen, denn es war eines der Wappen, die Maggie bei Madame Daudet abgezeichnet hatte: die dreiköpfige Schlange der d’Auguste-Familie. Darunter stand der Name Le Serpent und ein triumphierendes >Eureka Nach einem langen Schweigen sagte Maggie: »Offenbar ist Northwood in irgendwelche geheimen Dinge verwik-kelt. Fragt sich nur, für wen?«
»Und was bedeutet dieses Wappen für ihn? Wenn das wirklich das von Le Serpent ist, haben wir das Rätsel ge-löst, wenn wir herausbekommen, wer es benutzt.«
»Vielleicht sind wir endlich einen Schritt weitergekommen«, antwortete Maggie. »Aber ich habe eher das Ge-fühl, als ob wir so etwas wie die chinesischen Kästchen aufmachen, in denen man immer ein kleineres und noch ein kleineres findet.«
In diesem Moment trat der Butler ein, um die Ankunft des Arztes zu melden. Hélène stand auf, um zu gehen, und versprach, nach ihrer Konfrontation mit Oberst von Fehrenbach wiederzukommen, um zu berichten.
Maggie betete, daß die Initiative ihrer Freundin sie nä-
her ans Ziel bringen würde, bevor noch ein Unglück geschah.
Kapitel 17
ÉLENE KLEIDETE SICH für ihr Treffen mit Oberst von H Fehrenbach sehr sorgfältig an. Sie wählte ein blaues Kleid, das weiblich wirkte, ohne provozierend zu sein.
Wenn sie auch zwei Gründe dafür hatte, ihn zu besuchen, so war keiner davon Verführung im ursprünglichen Sinn.
Candover fuhr sie in seiner Kutsche zu Fehrenbach. Er hatte ebenso dafür gesorgt, daß vier britische Soldaten auf der Hintertreppe des Hauses postiert wurden, wo sie warten sollten, falls Hélène Hilfe benötigte. Um ihn zu beruhigen, hatte sie eingewilligt, eine Pfeife einzustecken, deren schriller Ton selbst durch dicke Wände dringen würde.
Ihre Gedanken wanderten zu Maggie und Rafe. Sie hatte die Spannung zwischen den beiden gespürt und fragte sich nun, ob sie dadurch entstanden war, daß sie beide sich begehrten und nichts dagegen getan hatten. Oder weil sie etwas getan hatten …
Über die beiden nachzudenken, lenkte sie angenehmer-weise von ihren eigenen Sorgen ab. Trotz ihrer zur Schau getragenen Zuversicht erschreckte die Aussicht darauf, dem preußischen Oberst gegenüberzutreten, sie mehr, als sie zugeben wollte.
Die Kutsche hielt vor einer Villa im Marais, nicht weit von Madame Daudets Haus entfernt. Das Gebäude war in Wohnungen aufgeteilt worden, und der Oberst lebte dort nur mit einem Kammerdiener, der den Abend frei haben würde. Da von
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