Wie ein Blütenblatt im Sturm
Fehrenbach die Versuchungen des Pariser Nachtlebens mied und nur ausging, wenn seine Verpflich-tungen es erforderten, würde Hélène ihn allein antreffen.
Candover stieg aus und ging um das Haus herum, um seine Soldaten zu treffen und durch die Hintertür einzutreten. Nachdem sie noch einmal nervös an ihrer Frisur gezupft hatte, stieg Hélène ebenfalls aus. Im Haus dirigierte der Concierge sie in den zweiten Stock zur Wohnung, die nach vorn hinausging.
Das Haus war im frühen achtzehnten Jahrhundert gebaut worden und strahlte noch viel seiner früheren Pracht aus. Als sie vor Fehrenbachs Tür stand, blickte Hélène den Flur zur Tür hinab, hinter der sich ihre Beschützer verbergen sollten. Schließlich klopfte sie.
Nach ein paar Augenblicken öffnete der Oberst selbst, was ihr sagte, daß der Diener tatsächlich nicht anwesend war. Wenn von Fehrenbach auch keine Uniform trug, kenn-zeichnete ihn seine Haltung unmißverständlich als Soldaten. Sein blaßblondes Haar wirkte im Lampenlicht silbrig; er war ein sehr attraktiver Mann, wenn man Eisprinzen mochte.
Schweigend starrten sie einander an, während wilde, ursprüngliche Faszination die Atmosphäre um sie herum zum Pulsieren brachte. Es war von Anfang an so zwischen ihnen gewesen, obwohl keiner von beiden es jemals angesprochen oder auch nur zugegeben hatte.
Sein Gesicht spiegelt seine Erschütterung und eine Mischung anderer Gefühle wider, doch er sagte nur kühl:
»Madame Sorel, welch ein seltenes Vergnügen. Was bringt Sie zu mir?«
»Eine recht dringende Angelegenheit.« Seinem Blick zu begegnen, erforderte von ihr, den Kopf zurückzulegen.
»Wenn ich verspreche, nichts zu tun, was Ihren Ruf ge-fährdet, dürfte ich dann eintreten, damit wir darüber sprechen können?«
Ein Hauch von Röte erschien auf seinen Wangen, und er trat zur Seite. Mit einer leichten Neigung des Kopfes ging sie in den Salon und nahm auf einem Stuhl Platz, den er ihr schweigend anbot.
Die Zimmer waren gut geschnitten und makellos aufgeräumt, aber bis auf ein gutgefülltes Bücherregal wirkte der Salon abweisend karg. Es war so, wie Hélène es erwartet hatte: Des Menschen Inneres spiegelte sich in der Umgebung wider, die er sich schafft. In der Seele des Obersten schien Winter zu herrschen.
Ohne ihr etwas anzubieten, setzte sich von Fehrenbach in einigem Abstand zu ihr hin und fragte fast feindselig:
»Ja, Madame?«
Bevor sie antwortete, musterte Hélène eine Weile sein Gesicht. Sie konnte die Spannung, die sich unter der lei-denschaftslosen Maske befand, förmlich spüren. In einem Anflug von Selbstzweifel fragte sie sich, ob sie sich über das Wesen dieser Spannung getäuscht hatte. Vielleicht schmiedete er wirklich finstere Pläne, um anderen Menschen etwas anzutun. Plötzlich war sie froh über die Pfeife in ihrem Täschchen.
Auch sie wollte sich nicht mit Floskeln aufhalten, also begann sie ohne Umschweife. »Es wird eine Verschwörung geplant, die die Friedenskonferenz durch ein Attentat zunichte machen soll. Der Unfall, der Castlereagh ans Bett gefesselt hat, war tatsächlich ein Anschlag auf sein Leben, und Wellington könnte das nächste Ziel sein.«
Seine hellen Brauen zogen sich kaum merklich hoch.
»Paris quillt über von Intrigen. Was soll das mit mir zu tun haben?«
Hélène verschränkte die Hände fest im Schoß, denn was sie zu sagen hatte, war unglaublich. »Es besteht Grund zu glauben, daß Sie hinter der Verschwörung stek-ken.«
»Was?« Seine Ruhe war fort, der Oberst sprang heftig auf die Füße. »Wie können Sie es wagen, mich einer solchen Sache zu beschuldigen! Welche Verzerrung des Verstands kann jemanden dazu bringen, mich zu verdächtigen?« Mit einem Aufblitzen seiner eisblauen Augen fügte er drohend hinzu: »Und wieso höre ich ausgerechnet von Ihnen davon?«
Hélène saß reglos da, ohne sich etwas anmerken zu lassen. »Das sind drei Fragen, und keine ist leicht zu beantworten. Wenn Sie sich eine Minute setzen und mir zuhö-
ren, werde ich es Ihnen erklären.« Als er noch zögerte, fügte sie hinzu: »Es liegt in Ihrem Interesse.«
Seine Augen verengten sich. »Wollen Sie mir drohen, Madame?«
»Überhaupt nicht, Oberst. Wie sollte ich das wohl auch können? Sie gehören zu den Siegern, sind ein reicher Mann von hohem Stand, während ich nur eine Witwe aus einer geschlagenen Nation bin. Wenn Sie bedroht werden, dann nicht durch mich.« Immer noch stand er unsicher da, und Hélène wurde ungeduldig. »Kommen Sie, Sie können
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