Wie ein boser Traum
Sie gekommen sind, Emily.«
Sie ging geradewegs zu ihm, schüttelte ihm die Hand
und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf den er zeigte. »Ich kann es kaum glauben. Violet ist sicherlich untröstlich.«
Ray nickte und nahm wieder Platz. »Sie ist ziemlich erschüttert.«
»Und sein Vater?« Keith war sein einziges Kind gewesen. Granville hatte ihn ununterbrochen angehimmelt. Der arme Mann war wohl untröstlich.
»Sie können es sich sicherlich vorstellen«, sagte Ray.
Sie konnte es.
»Deshalb habe ich Sie ja einbestellt, Emily«, erklärte er ihr. »Wir möchten so gründlich wie möglich vorgehen.«
»Natürlich. Alles, was ich tun kann.«
»Sie haben kürzlich mit Violet gesprochen. Haben Sie irgendetwas von irgendwelchen Schwierigkeiten zwischen den beiden mitbekommen?«
Was redete er da? »Halten Sie Violet für eine Verdächtige?«
»Wir müssen den Ehepartner in Betracht ziehen, so wie jeden, der dem Opfer nahestand.«
Emily atmete aus; sie war so müde. »Es tut mir leid. Natürlich müssen Sie das. Aber, um Ihre Frage zu beantworten, ich stehe seit … dem Mord an Heather niemandem mehr besonders nahe. Ich bin also keine geeignete Person für diese Frage.«
»Sie haben keine Auseinandersetzungen zwischen Clint und Keith mitbekommen? Ich weiß, dass Sie Clint recht genau im Auge behalten haben.«
Jetzt begriff sie, worum es hier ging. »Gilt Clint als verdächtig?« Dumme Frage. Natürlich.
»Momentan gilt jeder, der Keith kannte, als verdächtig.« Ray lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Den Mord an Heather ließ er unerwähnt. Ebenso den Besuch von Emilys Vater.
»Haben Sie Grund zu der Annahme, dass Clint Troy oder Keith für den Brand verantwortlich macht?«
»Nein.«
Ray blickte kurz auf etwas auf seinem Schreibtisch. Gab es da noch etwas, was er ihr nicht sagen durfte? Etwas, was Clint belastete?
»Wo waren Sie gestern Vormittag zwischen zehn und elf?«
»Ist er in dem Zeitraum gestorben?«
»Es ist eine Schätzung. Nach der Autopsie wissen wir mehr.«
Offenbar hatte Clint Ray nicht erzählt, dass er bei ihr gewesen war. »Haben Sie Clint vernommen?« Bestimmt hatte er es.
Ray zögerte, dann bejahte er.
»Dann müssten Sie doch wissen, wo ich war.«
Dass er eine so verwirrte Miene machte, bestätigte ihre Vermutung.
»Ich war mit Clint zusammen.«
Jetzt blickte Ray argwöhnisch drein. »Das hat er mir gegenüber nicht erwähnt.«
»Wenn der angegebene Zeitraum zutreffend ist, hat Austin ein Alibi.«
»Er behauptet, zu Hause gewesen zu sein, allein .«
»Er war zu Hause«, bestätigte Emily, »aber nicht allein. Ich war bei ihm.«
Jegliche Reaktion war aus Rays Zügen wie weggewischt. »Warum sollte Clint mir diese Information vorenthalten? Dass jemand sein Alibi bestätigt, kann sehr wichtig für ihn sein.«
Emily bekam einen trockenen Mund. »Vielleicht um mich zu schützen; keine Ahnung.« Sie sah Ray in die Augen. »Ich habe keinen Grund, für ihn zu lügen.«
Sie hätte es lieber gehabt, wenn Ray nicht nach Details fragte. Erinnerungen, zu lebendig, als dass sie sie ignorieren konnte, kamen ihr in den Sinn, erinnerten sie daran, was sie getan hatte.
»Das hat doch nichts mit dem zu tun, was Ihr Vater mir gestern erzählt hat, oder?« Ray sah sie forschend an. »Wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben sollten wegen der Information, die Ihr Vater mir vorenthalten hat, das müssen Sie nicht.«
Er glaubte tatsächlich, dass sie log! Wieso eigentlich? Natürlich sollte sie ein schlechtes Gewissen haben. Aber er auch! Sie griff nach ihrer Handtasche. Ob das nun etwas brachte oder nicht, er sollte wissen, dass sie etwas zutage befördert hatte.
»Es gibt Dinge im Zusammenhang mit dem Mord an Heather, die …«
»Die Ermittlungen sind beendet.« Er schnitt ihr das Wort ab »Abgeschlossen.«
»Warten Sie.« Sie blickte auf, verwundert über seinen schroffen Tonfall. »Wenn Clint unschuldig ist …«
»Das wissen wir nicht«, unterbrach Ray sie.
Er war es, der Clint in den vielen Jahren beigestanden hatte. Der die Entscheidung des Bewährungsausschusses unterstützt hatte. Warum jetzt diese Kehrtwende?
»Wir müssen alle die Sache hinter uns lassen«, erklärte Ray geduldig. »Sie ist Schnee von gestern, wir können nichts mehr ändern.« Er machte eine Pause. »Es ist an der Zeit, dass Sie in die Zukunft schauen, Emily, nicht in die Vergangenheit. Wir alle haben zu viel zurückgeblickt.«
»Wollen Sie denn nicht, dass geschehenes Unrecht wiedergutgemacht wird?«
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