Wie ein dunkler Fluch
Ihre Einstellung, Ihr Aussehen, Ihr ganzes Leben ist eine Schande für all die vielen Agenten, die hart arbeiten und sich an die Spielregeln halten.«
Die ganze Geschichte war nicht mehr McBrides Problem, seit Direktor Stone ihn von dem Fall abgezogen hatte. Er hätte in diesem Augenblick sofort gehen sollen.
Aber er war nicht gegangen, und jetzt war es zu spät.
Er beugte sich vor, legte die Handflächen auf die glänzende Schreibtischoberfläche und sah Worth direkt in die Augen. »Ich möchte, dass Sie sich an diesen Augenblick erinnern, wenn Sie beim nächsten Mal um meine Mithilfe bitten. Damit Sie, wenn ich Sie eiskalt abweise, wissen, dass, was immer auch geschieht, Sie dafür verantwortlich sind.«
Worth wich als Erster zurück. Er wandte sich an Grace. »Lassen Sie ihn erst aus den Augen, wenn er im Flieger sitzt und von hier verschwunden ist.«
»Ja, Sir.« Sie fasste McBride am Arm. »Gehen wir.«
Er hielt Worths Blick noch zwei Sekunden stand, dann verließ er den Raum. Er kochte innerlich vor Wut. Er war sofort hierher geflogen, um das Richtige zu tun. Was aber nur bewies, dass das Richtige zu tun weit überschätzt wurde.
An der Tür zum Treppenhaus unterbrach die Stimme von Agent Pratt ihren Abgang. »Warten Sie, Grace!« Er eilte zu ihnen herüber. »Der LSA hat gesagt, ich soll mit Ihnen kommen.«
»Ich muss mir was zu trinken kaufen«, verkündete McBride den beiden. Er hatte die Faxen dicke.
»Das dürfte zu dieser Stunde schwierig sein«, sagte Grace zweifelnd.
Pratt traf an der Tür zum Treppenhaus ein. »Ich kenne da einen Schnapsladen, der durchgehend geöffnet hat.«
Das klang schon besser. Er klopfte Pratt auf den Rücken. »Gut. Sie fahren.«
Auf dem Treppenabsatz im Treppenhaus blieb Grace stehen und sagte: »Es ist ein Fehler, McBride.« Sie blickte ihm forschend ins Gesicht und in die Augen, als hoffte
sie, darin einen Hinweis auf Zustimmung oder eine Art von Empörung zu entdecken.
»Wenn Sie damit den Alkohol meinen, dann können Sie’s vergessen. Wenn Sie diesen Scheiß meinen, den Worth da eben verzapft hat, dann sollten Sie Ihre Energie nicht darauf verschwenden, Grace.«
»Hören Sie«, widersprach sie, »ich habe zwar Meinungsverschiedenheiten mit Ihnen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie von Reportern genauso wenig halten wie ich. Das hier ist tatsächlich totaler Schwachsinn. Die Entscheidung des Direktors war unfair.«
McBride hatte vor drei Jahren aufgehört, das Leben als fair zu betrachten. Wer weiß? Vielleicht war er auch schon vorher etwas zynisch gewesen. Nach dem, was sie durchgemacht hatte, müsste Grace dieses Gefühl eigentlich kennen. Vielleicht sah sie ja auch immer noch alles durch die rosafarbene Brille der Jugend.
Was auch immer – seine Reise in die schlimmsten Ereignisse seiner Vergangenheit war zu Ende. »Verschwinden wir von hier.«
1.15 Uhr
Wie sich herausstellte, war Pratts Quelle ein Freund, der einen Spirituosenladen besaß und bereit war, eine Flasche Jack Daniels zu spendieren.
Grace ärgerte sich ebenso über McBride wie über ihren Kollegen, aber im Moment grummelten die Dämonen, und sie musste McBride ein wenig in Frieden lassen. Die Bilder und Stimmen in seinem Kopf wollten einfach nicht wieder verschwinden. Vermischt mit seinen eigenen privaten Dämonen waren einige von Grace.
Er hatte mehr als genug über die missbrauchten Leichen gehört, die der als »Namenlos« bekannte Serienmörder und Vergewaltiger hinterlassen hatte, um einen recht guten Eindruck davon zu haben, welch grauenhafte Erfahrungen sie durchgemacht haben musste.
Dass sie die Attacken dieses kranken Scheißkerls überlebt und ihr Leben wieder so gut auf die Reihe bekommen hatte, grenzte an ein Wunder.
Aber der Dreckskerl hatte seine Spuren hinterlassen.
McBride betrachtete sie aus dem Augenwinkel, während sie im siebten Stock des Tutwiler aus dem Fahrstuhl traten. Deshalb hatte sie ein Problem mit seinen Kommentaren über ihren Körper.
Herr im Himmel, was für ein Arschloch war er doch gewesen.
Er hatte nicht bedacht, dass sie in ihrem Leben möglicherweise ebenso gelitten haben könnte wie er in seinem. Aber sie war ja auch noch so verdammt jung, wer konnte da schon mit einer solch entsetzlichen Vergangenheit rechnen? Sie war erst siebzehn gewesen, als dieser perverse Teufel sie vergewaltigt hatte.
Sie hatte jedes Recht der Welt, überempfindlich zu sein, was ihren Körper betraf, und er hatte unwissentlich Kapital daraus geschlagen.
Vor der
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