Wie ein dunkler Fluch
ihm auch sagen können. Das Bureau versagte viel zu oft.
Im zweiten Jahr nach dem Tod seines Sohnes hatte Braden zu dessen Gedenken eine Website ins Netz gestellt, auf der er Eltern Ratschläge erteilte, wie sie die Anzeichen eines gewalttätigen Familienangehörigen oder Freundes erkennen konnten. Martin hatte das bewundert.
Beruhige dich, Martin .
»Wie?« Er drehte sich jählings um und sah seine geliebte Frau an. »Wie soll ich mich denn beruhigen?«
Sie lächelte ihn geduldig an. Du musst weitermachen .
Ja, sie hatte Recht. Er durfte nicht zusammenbrechen wegen dieser unerwarteten und unglücklichen Wendung. Dafür war seine Mission viel zu wichtig. Er musste weitermachen.
Trotzdem: Das Timing war ausschlaggebend. Deidre war kein Mathegenie, deshalb begriff sie nicht ganz, wie gravierend diese weitere Störung im Zeitplan sein konnte. Die Sache mit den Nachrichten war eines, aber der Wechsel des Zeitplans etwas ganz anderes.
Er musste aufhören, die Berichte in den Nachrichten in Gedanken ständig zu wiederholen. Er hatte keinen Einfluss darauf, es war nicht Teil seines Plans. Konzentration, das war nötig, um Erfolg zu haben. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er auf die unbedeutendsten Details in seinem Werk geachtet. Ablenkungen durften nicht geduldet werden, weder damals noch heute.
Die Frage »Warum jetzt?« blieb bestehen und machte ihm Angst.
Drei Jahre zuvor war jede Einzelheit im Fall Braden in den Medien ausgebreitet worden. Die Ermittlungen von Special Agent McBride war verrissen worden! Braden war damals weder auf ihn noch seinen Vorgesetzten losgegangen – während der ganzen Zeit nicht. Warum nun diese plötzliche Gewalttat wegen eines bloßen Berichts in den Nachrichten, der endlich der Wahrheit so nahe kam, wie der Mann sie selbst hätte erkennen können?
Martin konnte dessen Verhalten einfach nicht einordnen.
McBride war ein Heiliger – ein Held, wie es ihn nur einmal gab.
Höchste Zeit, dass alle Welt Bescheid wusste .
Deidre hatte Recht. Wie immer.
So unglückselig diese tragische Nachricht auch war, manchmal musste man Opfer bringen, damit Gerechtigkeit geschah. Wenn jetzt die Zeit dafür gekommen war, dann sollte es so sein.
Er würde mit seinen Planungen fortfahren und diese andere traurige Angelegenheit beiseiteschieben.
»Natürlich hast du immer Recht, Liebes«, sagte er. »Es ist kein unüberwindlicher Rückschlag. Und die Nachricht über Braden und Quinn geht mich einfach nichts an.« Er hob ganz leicht die Schultern. »Obwohl, ich muss schon sagen, Quinn hätte sicherlich etwas Besseres verdient gehabt.«
Deidre sagte nichts, aber an ihren Augen las er ihre Zustimmung ab. Ihr war bereits klar gewesen, dass diese Mission, die McBride rehabilitieren sollte, stattfinden musste, ehe er es erkannt hatte. Sie begriff immer alles viel klarer und schneller als Martin. Das war ihre Gabe. Das hier war das Mindeste, was er für sie tun konnte.
Martin wandte sich wieder den Nachrichten im Fernsehen zu und stellte sich seiner neuen Herausforderung, im Wissen, dass sein Ziel viel zu wichtig war, als dass er seinen Kurs wegen eines unerwarteten Hindernisses verlassen durfte.
Ganz im Gegenteil, er würde genau das tun, was Deidre vorgeschlagen hatte. Er würde nicht nur weitermachen, sondern sein nächstes Planziel zeitlich vorverlegen, um der Störung Rechnung zu tragen.
Er würde triumphieren.
Die Welt wusste jetzt sehr viel mehr von der Wahrheit.
Und nur das Federal Bureau of Investigation wehrte sich dagegen.
Zeit, diesen kurzsichtigen Trotteln zu zeigen, wo der Hammer hing.
Niemand war so gut wie Special Agent Ryan McBride.
Sobald er offiziell wieder eingestellt war, wäre Martins Arbeit getan
Und dann wäre auch er in Deidres Augen ein Held.
14
Sonntag, 10. September, 00.01 Uhr
1000 Eighteenth Street
McBride sah die letzten Sekunden des Berichts in den Nachrichten auf dem an der Wand angebrachten Plasmafernseher in Worths Büro. Miss Nadine Goodman hatte in der Tat alle Informationen beisammen, darunter einige, zu denen sie eigentlich keinen Zugang hätte haben dürfen.
Keiner wusste besser als McBride, was Derrick Braden durchgemacht hatte. Es gab keine Worte, um einem solchen Schmerz angemessen Ausdruck zu verleihen. McBride hätte alles dafür gegeben, zurückgehen und die Zeit anhalten zu können. Den Jungen zu retten, damit sie wieder eine ganze Familie wären. Aber das konnte er nicht. Quinn hatte die letzte Entscheidung getroffen, und dann war der
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