Wie ein einziger Tag
weinte, weil sie meinte, nie wieder so glücklich sein zu können. Statt zu antworten, hatte er ihr einen Zettel in die Hand gedrückt, den sie auf der Heimfahrt gelesen hatte. Sie hatte ihn aufbewahrt und immer wieder gelesen, vor allem eine Passage daraus. Und die Zeilen, die sie wohl hundertmal gelesen hatte und fast auswendig kannte, kamen ihr jetzt in den Sinn. Sie lauteten:
Daß die Trennung so wehtut, liegt daran, daß unsere Seelen verbunden sind. Vielleicht waren sie es immer schon und werden es immer bleiben. Vielleicht haben wir tausend Leben vor diesem gelebt und haben uns in jedem Leben gefunden. Und vielleicht sind wir in jedem dieser Leben aus dem gleichen Grund getrennt worden. Das würde bedeuten, daß dieser Abschied zugleich ein Abschied der letzten Zehntausende von Jahren ist und ein Vorspiel zu dem, was vor uns liegt.
Wem ich dich anschaue, sehe ich deine Schönheit und Anmut und weiß, daß du mit jedem gelebten Lehen starker geworden bist. Und ich weiß, daß ich dich in jedem Lehen gesucht habe. Nicht jemanden wie dich, sondern dich, denn deine Seele und die meine sind dazu bestimmt, sich immer wiederzufinden. Doch aus einem Grund, den keiner von uns versteht, sind wir gezwungen, Abschied zu nehmen.
Ich würde dir gern sagen, daß sich alles für uns zum Guten wendet, und verspreche dir, mein Möglichstes dafür zu tim. Aber wenn wir uns trotzdem nicht Wiedersehen und dies ein Abschied für immer ist, so weiß ich doch, daß wir uns in einem anderen Leben wieder begegnen werden. Wir werden uns wiederfinden, und vielleicht stehen die Sterne dann günstiger für uns, und wir werden uns dann nicht nur dieses eine Mal lieben, sondern immer und ewig.
War das möglich? fragte sie sich. Könnte er recht haben?
Sie hatte es nie als unmöglich abgetan, hatte Halt gesucht an dieser Hoffnung, einer Hoffnung, die ihr über eine schlimme Zeit hinweggeholfen hatte. Aber ihr jetziges Beisammensein schien die Theorie bestätigen zu wollen, daß es ihnen bestimmt war, für immer getrennt zu sein. Es sei denn, die Sterne standen günstiger für sie als bei ihrem letzten Beisammensein.
Vielleicht war es so, aber sie wollte nicht hinsehen. Statt dessen schmiegte sie sich noch enger an ihn und spürte die Hitze zwischen ihnen, spürte seinen Körper, seinen Arm, der sie fest umschlang. Und ihr Körper begann so erwartungsvoll zu zittern wie damals, in ihrer ersten Liebesnacht.
Es war alles so, wie man nur wünschen konnte. Das Feuer, die Getränke, das Gewitter - es hätte gar nicht vollkommener sein können. Und wie durch ein Wunder schienen die Jahre ihrer Trennung völlig unwichtig zu sein.
Blitze durchzuckten den Himmel. Flammen tanzten auf weißglühendem Holz, verbreiteten Hitze. Oktoberregen prasselte gegen die Fenster, übertönte alle anderen Geräusche.
Und nun gaben sie all den Gefühlen nach, die sie vierzehn Jahre lang unterdrückt hatten. Allie hob den Kopf von seiner Schulter, sah ihn voller Leidenschaft an, und Noah küßte ganz zart ihre Lippen. Sie legte die Hand an sein Gesicht und strich über seine Wange. Er beugte sich tiefer über sie und küßte sie wieder, immer noch sanft und zärtlich, und sie erwiderte seine Küsse und spürte, wie vierzehn Jahre der Trennung sich in Verlangen auflösten.
Sie schloß die Augen und öffnete die Lippen, während seine Finger ihre Arme streichelten, ganz langsam, ganz leicht. Er küßte ihren Nacken, ihre Wange, ihre Augenlider, und sie spürte die Feuchtigkeit seines Mundes überall dort, wo seine Lippen sie berührt hatten. Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brüste, und als er sie sanft durch den dünnen Stoff des Hemdes liebkoste, stöhnte sie leise.
Mit vom Licht des Feuers glühendem Gesicht löste sie sich von ihm und begann, ohne ein Wort, sein Hemd aufzuknöpfen. Er sah ihr dabei zu und lauschte ihrem erregten Atem. Bei jedem Knopf spürte er ihre Finger auf seiner Haut, und als sie sich schließlich bis nach unten vorgetastet hatte, lächelte sie ihn zärtlich an. Er fühlte, wie ihre Hände unter den Stoff glitten und seinen Körper zu erforschen begannen. Sie strich mit der Hand über seine heiße, leicht leuchte Brust und fühlte seine Haare zwischen ihren Fingern. Dann küßte sie seinen Nacken und zog das Hemd so über seine Schultern, daß seine Arme auf dem Rücken gleichsam gefesselt waren. Sie hob den Kopf und ließ sich küssen, während er sein Hemd mit einem Ruck auszog.
Dann beugte er sich langsam über sie. Er
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