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Wie ein einziger Tag

Wie ein einziger Tag

Titel: Wie ein einziger Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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Abendgesang an, und wir stochern lustlos in unserem Essen. Keiner von uns hat Hunger, aber ich gehe mit gutem Beispiel voran, und sie folgt ihm. Sie nimmt nur kleine Bissen und kaut lange, aber ich bin schon froh, daß sie überhaupt 1 etwas ißt. In den letzten drei Monaten hat sie stark abgenommen.
    Nach dem Essen überkommt mich plötzlich ein banges Gefühl. Ich sollte froh sein, denn dieses Zusammensein ist der Beweis dafür, daß die Liebe uns gehört, aber ich weiß auch, daß die Stunde geschlagen hat. Die Sonne ist lange schon untergegangen, und der Dieb hat sich längst auf den Weg gemacht, und ich kann ihn nicht aufhalten. Und so sehe ich sie an und warte und durchlebe in diesen letzten uns verbleibenden Minuten ein ganzes Leben.
    Nichts.
    Die Uhr tickt.
    Nichts.
    Ich nehme sie in die Arme, und wir halten uns umschlungen.
    Nichts.
    Ich fühle, wie sie zittert, und flüstere ihr ins Ohr.
    Nichts.
    Ich beteuere ihr zum letzten Mal an diesem Abend, daß ich sie liebe.
    Und der Dieb erscheint.
    Ich bin immer erstaunt, wie schnell es vor sich geht. Selbst jetzt noch, nach all dieser Zeit. Denn während sie mich noch umarmt hält, beginnt sie plötzlich zu blinzeln und den Kopf zu schütteln. Dann starrt sie in eine Ecke des Zimmers, Angst in den Augen.
    Nein! schreit es in mir. Noch nicht/ Nicht jetzt, wo wir uns so nahe sind! Nicht heute abend! Jeden anderen Abend, aber nicht jetzt… Bitte! Die Worte hallen in mir. Ich ertrage es nicht! Warum nur? Warum?
    Aber wieder einmal ist es vergeblich.
    »Diese Leute«, sagt sie schließlich und deutet in die Zimmerecke, »sie starren mich an. Bitte mach, daß sie aufhören.«
    Die Gnome.
    Mein Magen krampft sich zusammen. Mein Atem stockt, wird flacher. Mein Mund wird trocken, und mein Herz beginnt zu rasen. Es ist vorbei, ich weiß es. Der Dieb steht auf der Schwelle. Diese abendliche Verwirrung, verbunden mit der Alzheimer-Krankheit, ist das Schlimmste von allem. Denn wenn es beginnt, ist sie fort, und manchmal frage ich mich, ob sie und ich uns jemals wieder lieben werden.
    »Da ist niemand, Allie«, sage ich und versuche, das Unvermeidliche abzuwehren. Sie glaubt mir nicht.
    »Sie starren mich an.«
    »Nein«, flüstere ich und schüttle den Kopf.
    »Kannst du sie denn nicht sehen?«
    »Nein«, sage ich, und sie überlegt einen Augenblick.
    »Sie sind aber hier«, sagt sie und stößt mich weg. »Und sie starren mich an.«
    Darauf beginnt sie, mit sich selbst zu reden, und als ich sie trösten will, weicht sie mit weit aufgerissenen Augen vor mir zurück.
    »Wer bist du?« schreit sie, Panik in der Stimme, das Gesicht aschfahl. »Was tust du hier?« Ihre Angst wächst, und ich leide, weil ich machtlos bin. Immer weiter weicht sie vor mir zurück, die Hände zur Abwehr erhoben, und dann sagt sie die Worte, die mich am meisten verletzen.
    »Komm mir nicht zu nahe!« schreit sie. »Geh!« Ängstlich versucht sie, die Gnome zu verscheuchen, und ist sich meiner Gegenwart nicht mehr bewußt.
    Langsam setze ich mich in Bewegung und gehe zu ihrem Bett. Ich bin schwach, meine Beine schmerzen, und ich fühle ein seltsames Stechen in der Seite, dessen Ursache ich nicht kenne. Es kostet mich Mühe, den Knopf zu drücken, um die Schwestern zu rufen, denn meine Finger sind gekrümmt und pochen vor Schmerz, aber schließlich gelingt es mir doch. Gleich werden sie da sein, das weiß ich, und ich warte auf sie. Und während ich warte, starre ich meine Frau an.
    Zehn…
    Zwanzig Dreißig Sekunden vergehen, und ich sehe sie immer noch an und denke an die Augenblicke, die wir soeben miteinander erlebt haben. Aber sie schaut nicht zurück, und mich quält die Vorstellung, wie sie mit ihren unsichtbaren Feinden kämpft.
    Ich sitze mit schmerzendem Rücken neben ihrem Bett, und als ich zu meinem Tagebuch greife, fange ich an zu weinen. Allie bemerkt es nicht, ihre Gedanken sind weit fort.
    Mehrere Seiten fallen zu Boden, und ich bücke mich, um sie aufzuheben. Ich bin müde, und da sitze ich nun, allein und von meiner Frau getrennt. Und als die Krankenschwestern hereinkommen, sehen sie zwei Menschen, die Trost brauchen. Eine Frau, die zittert aus Angst vor eingebildeten Dämonen, und den alten Mann, der sie mehr liebt als das Leben selbst und der, die Hände vors Gesicht geschlagen, still vor sich hin weint.
    Ich verbringe den restlichen Abend allein in meinem Zimmer. Meine Tür steht halb offen, und ich sehe Menschen vorübergehen, Freunde und Fremde, und wenn ich mich konzentriere,

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