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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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du hoffentlich, dass du jederzeit zu mir
kommen kannst, oder?«
    Ich beeilte mich zu nicken. »Ja klar. Danke.«
    Er rollte an mir vorbei direkt auf einen großen Blumentopf
zu, der diesem Flur wohl so etwas wie Gemütlichkeit verleihen
sollte. Seine Finger griffen unter die Blätter, dann zog er triumphierend
einen Schlüssel hervor. Er zwinkerte mir zu. »Liegt da
für die Putzfrau. Ich hab nur noch einen. Keine Ahnung, wo ich
den zweiten verloren habe.«

    Bevor er seine Tür aufschloss, drehte Bernges sich noch einmal
zu mir um. »Ich hätte das mit Melanie nicht sagen sollen.
Tut mir leid.« Er sah mir jetzt direkt in die Augen. »Ich hätte
dich nicht damit belasten dürfen. Du hast vermutlich genug eigenen
Stress.«
    »Nein, ich meine, ja. Also ich …« Ich wusste nicht mehr, wo
ich hinschauen sollte. Ich wollte nicht über Melanie reden, nicht
jetzt und nicht mit Bernges. Ich wollte mit Melanie selbst reden,
und wenn ich nicht bald in die Schwimmhalle kam, würde daraus
nichts mehr werden.
    »Ich mache mir einfach Sorgen, weil sie plötzlich das Interesse
an der Theater-AG verloren zu haben scheint. Und am Anfang
war niemand so begeistert dabei wie sie. Das passt für mich
nicht zusammen.«
    Ich nickte. »Es liegt an ihrem Vater. Ich glaube, er hat es ihr
verboten.«
    »Ihr Vater hat ihr die Theater-AG verboten?«, wiederholte
Bernges bestürzt. »Das wusste ich nicht.« Er rieb mit den Händen
über die Armlehnen des Rollstuhls. »Meinst du, sie würde
mit mir darüber sprechen? Ich meine, es geht ja nicht nur um das
Theaterstück. Es wäre auch einfach schade für sie. Sie hatte so
viel Spaß in der AG. Und sie hat wirklich Talent.«
    Ich hatte keine Ahnung, ob Melanie bereit sein würde, mit
Bernges zu sprechen. Ich tippte aber darauf, dass daraus eher
nichts würde.
    Inzwischen war ich komplett durchgefroren. Ich trat von
einem Bein auf das andere. Meine Füße in den nassen Turnschuhen
wurden langsam zu Eisklumpen.
    »Ich müsste dann mal … Also eigentlich wollte ich noch trainieren
… Vielleicht kann ich sie ja gleich mal fragen, Melanie
meine ich.«
    »Ah, bitte entschuldige. Ich hätte dich nicht so lange aufhalten
sollen. Weißt du, was? Wie wäre es, wenn ihr beide morgen
Nachmittag mal bei mir vorbeikommt? Nach dem Essen? Ich
mache uns eine Kanne Tee und wir unterhalten uns ein bisschen.
Vielleicht können wir Melanie ja helfen, du und ich?«
    Und wieder drehte sich alles um Mel. Als ob ich im Moment
nicht genug eigene Probleme hätte! Aber ich nickte nur und
versprach, dass ich mit Melanie reden und versuchen würde, sie
mitzubringen. Als ich endlich mit meinen Trainingssachen aus
dem Wohntrakt in die Schwimmhalle kam, war das Becken leer.
Von Melanie war weit und breit nichts zu sehen.

Die Zeit lief mir davon, ich musste eine Entscheidung treffen.
Ich wollte dieses Stipendium nicht verlieren, wollte die Schule
nicht wieder verlassen. Das hier war jetzt meine Welt. Ich fühlte
mich wie entzweigerissen. Exakt so wie in dem Zitat, das seit
gestern über meinem Schreibtisch hing: Gut zu sein und doch
zu leben, zerriss mich wie ein Blitz in zwei Hälften . Wir haben den
Text in Deutsch gelesen. Der gute Mensch von Sezuan . Von Bertolt
Brecht. Ich hatte den Satz in mein Heft gekritzelt und später
herausgerissen. Neben Michael Phelps hing er jetzt über meinem
Schreibtisch, und ich fragte mich, was für ein Mensch dieser
Brecht wohl gewesen war, der solche Sätze geschrieben hatte.

    Wegen des schlechten Wetters durften wir in der nächsten großen
Pause drinnen bleiben. Als ich durch die Aula schlenderte,
hörte ich auf einmal meinen Namen.
    »Jana? Vergiss es.«
    Ich kam näher, um herauszufinden, was sie über mich redeten.
Jonas hatte den Arm um Melanie gelegt. Diesmal ganz offiziell.
Und sie ließ ihn. Nora sah auf und erblickte mich. Ich
versuchte, sie zu ignorieren. Ging einfach weiter. Jetzt sah auch
Melanie zu mir. Für einen kurzen Augenblick gab es nur sie und
mich. Der Moment war so kurz, wie es eben dauert, wenn zwei
sich in die Augen schauen, die sich viel zu sagen hätten, aber
nicht reden können. Oder nicht wollen. Dann schob sich Nora
zwischen uns.
    »Zieh Leine.«
    Ich schaute noch mal zu Mel, aber sie hatte sich wieder weggedreht.
Ich wollte zu meinem Platz zurückgehen. Da hörte ich
Vanessa.
    »Hey, Mel. Wie geht es deinem Bruder?«
    Sofort schlug mein Herz ein wenig schneller. Mika. Seine
Handschuhe lagen noch in meinem Zimmer. Letzte Nacht
hatte ich sie mit ins Bett

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