Wie ein Flügelschlag
aufgerichtet. Ich machte noch
einen Schritt nach vorn, aber Bea wich keinen Zentimeter zur
Seite. Ich versuchte, mich an ihr vorbeizuschieben.
»Melanie, bitte!«
Ohne ein Wort bahnte sie sich einen Weg aus dem Kreis hinaus,
schob die anderen zwischen sich und mich.
»Ich will doch nur mit dir reden.«
»Sie will aber nicht mit dir reden. Geht das nicht in deinen
Schädel?« Bea verschränkte die Arme vor der Brust und drängte
mich zurück.
»Halt du dich da raus! Das ist eine Sache zwischen Mel und
mir.«
»Gibt's Stress?« Nora musterte mich von oben bis unten,
dann spuckte sie aus. »Verpiss dich.«
Es war Drexler, der Nora rettete. Sein Pfiff sorgte dafür, dass
alle sich umdrehten und lostrabten. Ich überlegte kurz, die anderen
zu überholen und mir einen Platz neben Melanie zu erkämpfen,
ließ es dann aber doch. Während Drexler neben uns
lief, konnte ich sowieso nicht mit ihr reden. Ich musste versuchen,
einen besseren Zeitpunkt zu erwischen. Bea und Nora
konnten schließlich nicht ununterbrochen an Melanies Rockzipfel
hängen.
Aber in dem Punkt sollte ich mich irren. Sie hingen die ganze
Zeit an Mel. Im Unterricht schotteten sie sie geschickt von mir
ab, während des Mittagessens waren alle Plätze in ihrer Nähe sofort
von den anderen belegt, selbst auf die Toilette folgten sie
ihr. Ich hatte keine Chance.
In der Mensa wurde der Tisch, an dem Melanie saß, umlagert,
als gäbe es dort etwas umsonst. Ich saß ein paar Tische weiter
abseits und fragte mich, was genau eigentlich seit dem letzten
Training passiert war. Okay, Drexler hatte mir ein Ultimatum
gestellt und versuchte, mich zu erpressen, aber davon wusste
der Rest der Klasse doch nichts. Warum wurde Melanie auf einmal
so abgeschottet? Ich beobachtete die anderen, aber ich fand
keine Antwort.
»Jana?«
Ich zuckte zusammen und blickte auf. Tom stand mit einem
Tablett vor mir und sah auf mich herunter.
»Hallo«, sagte ich.
»Darf ich?« Mit dem Kopf deutete er auf den freien Platz mir
gegenüber.
Ich war nicht wirklich heiß darauf, mich mit Tom zu unterhalten,
aber ich fand auch keinen guten Grund, warum ich ihn
wegschicken sollte, also nickte ich. »Ja klar.«
»Wie war dein Wochenende?« Tom warf seine Tasche auf
einen der Stühle und setzte sich.
»Geht so, und deins?«
Wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht viel über Tom. Vor
allem hatte ich keine Ahnung, wo und mit wem er seine Wochenenden
verbrachte.
»Ganz gut. Ich hab was mit meinem Vater unternommen, das
kommt eher selten vor.«
»Warum?«
»Meine Eltern sind geschieden. Mein Vater ist beruflich viel
unterwegs und nicht oft in der Stadt. Aber wenn er da ist, machen
wir häufig was zusammen.«
»Schön für dich.«
»Was macht dein Vater denn so?«, wollte Tom wissen.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen.«
»Oh – tut mir leid. Ehrlich. Das wusste ich nicht.«
»Schon okay. Muss dir nicht leidtun.«
Eine Weile sagten wir beide nichts. Von Melanies Tisch drang
Gelächter zu uns herüber. Tom wandte sich kurz um, dann sah
er wieder zu mir.
»Was ist eigentlich zwischen dir und Mel los?«, fragte er und
griff nach seinem Glas.
»Was soll sein?«, erwiderte ich knapp.
»Na ja«, Tom stellte sein Glas wieder ab, »ich bin davon ausgegangen,
dass ihr Freundinnen seid, aber auf einmal sieht es
nicht mehr danach aus.«
Ich vermied es, ihn anzusehen.
»Ich habe mitbekommen, wie sie dich heute Morgen abserviert
hat.«
»Ach, das.« Was sollte ich ihm jetzt antworten? Auf keinen
Fall wollte ich Tom erzählen, was wirklich los war. Ich legte mir
gerade eine Erklärung zurecht, als es am Nachbartisch lauter
wurde und Tom sich erneut umdrehte. Melanie war aufgestanden
und hatte ihre Tasche geschultert. Jonas stand jetzt ebenfalls
und hielt sie am Arm fest. »Verdammt, Mel, nun bleib doch.
Wir sind ja noch nicht mal richtig mit dem Essen fertig!«
»Ich bin fertig. Also lass mich jetzt bitte los.« Melanie versuchte,
sich aus Jonas' Griff zu befreien.
»Und was ist mit den Proben? Du hattest versprochen, heute
zu kommen.«
Melanie schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Proben mehr, begreif
das endlich.«
»Du kannst doch nicht einfach mitten im Schuljahr alles hinschmeißen!
«
»Nein. Will ich auch nicht. Aber vor der Sichtung nächste
Woche habe ich echt keine Zeit mehr, okay? Und jetzt lass mich
los. Bitte.«
Ich merkte, wie Melanie zu uns hinübersah. Schnell wandte
ich mich ab und beschäftigte mich intensiv mit meinem Teller.
»Mel, wenn du denkst, für
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