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Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition)

Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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Klängen von Sally Goodin in die Turnhalle trat und ihn tanzen sah. Selbst bei einer schnellen Melodie wie dieser hatten seine Bewegungen etwas Weiches, Müheloses. Er führte seine Partnerin mit einer unendlich sanften Berührung im Rücken, während sie ein Spalier abschritten, dann wirbelte er sie herum und fing sie wieder, die langen Finger um ihre Taille gelegt.
    Er tanzte mit unterschiedlichen Partnerinnen, aber Miss Perrin konnte Maze nirgends entdecken. Wahrscheinlich hatte sie ebenfalls nichts für Hillbilly-Musik übrig, vermutete Maze. Vom ersten Tanz an, den sie beobachtete, wusste Maze, dass sie mit ihm tanzen musste, dass sie diese Hand auf ihrem Rücken, ihrem Arm, ihrer Taille spüren musste. Als Dr. Wendt, ihr Philosophiedozent, sie sah und zum nächsten Reel aufforderte, willigte sie gern ein. Doch die ganze Zeit behielt sie Harris Whitman im Auge, der diesen Tanz aussetzte, neben einem Tisch im hinteren Teil der Turnhalle stand, sich unterhielt und eine Cola trank.
    »Schön, dass Sie gekommen sind, Miss Jansen«, sagte Dr. Wendt zu ihr, als sie in der Aufstellung warteten, bis sie an der Reihe waren. »Nicht viele Studenten kommen zu diesen Tanzveranstaltungen.«
    Maze blickte sich in der Halle um und stellte fest, dass er Recht hatte. Die meisten anderen Tänzer waren älter oder viel jünger, Jugendliche eigentlich noch, wahrscheinlich die Kinder der älteren. Noch etwas, was sie merkwürdig machte, dachte Maze, als sie sich Fernes und Dares Reaktion ausmalte, wenn sie sie mit Dr. Wendt tanzen sähen. Aber was sollte das schon. Sie liebte Countrytänze. Jetzt erst merkte sie, wie sehr ihr das gefehlt hatte.
    Dr. Wendt war ein angenehmer, wenn auch eher hölzerner Tänzer, was sie aus irgendeinem Grund nicht überraschte. Noch bevor der Reel ganz zu Ende war, machte sie einen kleinen Knicks, bedankte sich und erklärte, sie brauche eine Limo. Als sie nach hinten zu den Tischen lief, begegnete sie Harris Whitman, der auf dem Rückweg zur Tanzfläche genau auf sie zukam.
    Er lächelte sie an, als würde er sie kennen, und sie fühlte ein eigenartiges Beben vom Bauch bis hinauf in die Brust. Ehe sie noch Zeit hatte, darüber nachzudenken, sagte sie zu ihm: »Ich wollte fragen, ob Sie was dagegen hätten, mal mit mir zu tanzen.«
    Wieder lächelte er, irgendwie anders nun. Vielleicht ein wenig verschmitzt, dachte sie, dann lieb. Wie viele unterschiedliche Lächeln konnte ein Mann haben? Und dann sagte er: »Dagegen hätte ich überhaupt nichts.« Dabei nahm er ihre Hand und führte sie mitten auf die Tanzfläche.
    Aber was in Gottes Namen hatte sie getan?, dachte sie plötzlich, als die Musik einsetzte und ihr das Herz stehenblieb. Das war ja ein Walzer! »Oh, Entschuldigung«, murmelte sie und ließ seine Hand los. »Walzer kann ich nicht.«
    Erneut griff er nach ihrer Hand, zog sie an sich und flüsterte, während er seine andere Hand auf ihren Rücken legte, genau dorthin, wo sie es sich ersehnt hatte, auf diese süße, warme Stelle unterhalb der Taille, wo die Hitze von unten heraufstieg: »Ganz ruhig, folgen Sie mir einfach.«
    Und sie ließ ihre Arme und Beine weich werden, beinahe schlaff, lehnte sich an ihn, an seine Wärme und seinen Geruch, wie der Wald nach einem Frühlingsregen. Sie wurde ganz ruhig und folgte ihm. Sie ließ ihn führen. Durch dieses Lied und alle anderen an jenem Abend.
    Bis zu diesem Zeitpunkt waren ihre einzigen Partner Bauernjungen gewesen, unbeholfene Trampel. Bei anderen Tanzabenden, in ihrer Schule, hatte sie langsame Stücke möglichst gemieden, selbst mit Darrell, der so etwas nur als Gelegenheit betrachtete, beide Hände auf ihr Gesäß zu legen und sie auf den Hals zu küssen.
    Es half auch nicht, dass sie größer war als fast alle Jungen auf der Schule, einschließlich Darrell. Warum, fragte sie sich oft, konnte sie nicht rabenschwarze Haare und Grübchen haben und klein wie ein Vögelchen sein, so wie ihre Mutter? Offenbar schlug sie ihrem Vater nach, einem Mann, den sie nie gesehen hatte. »Du hast wohl die schwedische Hälfte abgekriegt«, hatte Vista einmal zu ihr gesagt. »Die sind groß und blond, wie du.«
    Doch Harris Whitman war knappe zehn Zentimeter größer als Maze, die in den flachen Schuhen, die sie an jenem Abend trug, eins fünfundsiebzig war. Sie hatte noch nie erlebt, wie es sich anfühlte, so gut mit einem Mann zusammenzupassen.
    Obwohl es eigentlich nicht die passende Jahreszeit dafür war, hatte sie ihr bestes Kleid angezogen. Es war aus

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