Wie ein Hauch von Zauberblüten
Essen im Frack servieren. Unter einem Affenbrotbaum.«
»Haben Sie überhaupt einen Frack?«
»Nie besessen.«
»Dann werden Sie keine gute Figur machen, Doktor.«
»Ich nehme meinen schwarzen Anzug mit. Zufrieden?«
»Ihr alle seid große Kinder!« sagte Mooslachner. »Am liebsten möchte ich mitfliegen, aber ich komme hier nicht weg. Ich muß in Otjivarongo Gottesdienst und Kommunionunterricht halten.«
Nun war es so weit. Volker Prusius lallte aus dem Wagenfenster und holte sie ab. Luba war vor einer Viertelstunde gekommen; Urulele hatte sie mit seinem Motorrad gebracht. Sie hatte eine große Reisetasche bei sich, trug den Khakianzug, derbe Stiefel und einen weichen Leinenhut und sah aus, als gedenke sie auf dem Laufsteg die neue Safari-Mode vorzuführen.
»Du lieber Himmel!« sagte Luba. Sie lehnte neben Oppermann am Fenster. »Jetzt bekomme ich Angst.«
»Weil Volker granatenvoll ist? Keine Sorge! Fliegen kann der immer. Ich habe das ausprobiert. Sonst würde ich nie zulassen, daß Sie mitkommen.«
Wie immer, bewältigte Volker Prusius den Flug mit Eleganz. Er landete bei dem Wildwart-Lager Otjovasandu in einer großen Staubwolke, ließ die Maschine ausrollen, klappte die Tür auf, sprang hinaus, lehnte sich taumelnd an den Flügel und sagte: »Hab' ich einen Durst! Die Brüder im Lager saufe ich heute und morgen trocken!«
Das Lager Otjovasandu war neu errichtet worden und deshalb noch nicht für den allgemeinen Verkehr geöffnet. Man arbeitete noch an den Gäste-Rondawels, den Steinbaracken, den festen Zelten, an Mauern und Wegen. Nur die Wohnhäuser der Wildwarte waren fertig und bereits bezogen, die Funkstation arbeitete, die Garagen und Magazine, Ställe und Schuppen standen, kleine Gärten wurden angelegt. Der Chef des Lagers begrüßte Dr. Oppermann und Luba mit großer Freude. Geradezu kindlich freute er sich über die Zeitungen und Illustrierten, die Oppermann mitgebracht hatte. Prusius junior lud ein paar Kisten aus, trat einem Ovambo, der eine Kiste fallen ließ, in den Hintern und schrie nach einem Drink. Da er sich hier auskannte, ging er gleich ins Office, schwankte in das Hinterzimmer und begann, den Kühlschrank zu plündern.
Der Lagerchef, ein Mr. Willem Boeken, führte Luba und Dr. Oppermann in sein von zwei kreisenden Ventilatoren etwas gekühltes Zimmer und holte eine Kanne Fruchtsaft, in die er einen dicken Schuß Gin gab.
»Man hat Sie angemeldet, Doktor«, sagte er. »Ich weiß, Sie dürfen überall hin mit Ihrer Sondergenehmigung. Sie bekommen von mir auch einen gut gepflegten, intakten Landrover mit Wasservorrat, Benzinkanistern, Decken, Luftmatratzen, Verpflegungskiste und allem Pipapo. Aber glücklich über Ihren Besuch bin ich nicht.«
»Wegen der Löwenrudel?«
»Die beachten keinen Menschen, wenn sie satt sind. Und sie sind satt; das Land wimmelt von Tieren. Hier hungert keiner. Soll ich Ihnen ein paar Zahlen nennen? Wir haben in der Etoschapfanne 16.000 Steppenzebras, 9.000 Springböcke, 4.000 Kudus, fast 6.000 Gnus, 4.000 Oryxantilopen, 600 Impalas, 500 Giraffen, 700 Kuhantilopen, 300 Roan-Antilopen, 900 Elands. Dazu ungezählte Duiker, Dikdiks, Warzenschweine, Steinböckchen, Wildhunde, Hyänen und Schakale. Hier wird jeder satt. Löwen wie Leoparden und Geparde. Dazu kommen noch 150 Nashörner, 1.200 Strauße und über 1.400 Elefanten. Man kann gar nicht alles aufzählen, was hier lebt. Es wäre ein Paradies, wenn …«
»Ich weiß«, sagte Dr. Oppermann ernst. »Wenn der Mensch nicht wäre …«
»Die Wilderer. Vom Norden kommen sie herein. Und die Guerilleros.«
»Also auch hier?«
»Ja. Man spricht nur nicht darüber. Aber sie sind da. Für die Öffentlichkeit noch unmerkbar. Man unternimmt alles auf der anderen Seite, um nicht aufzufallen. Das ›friedliche Namibia‹ ist das Schlagwort. Aber wie wird es aussehen, wenn wir nicht mehr hier sind? Wie?!«
Es klang bitter. Willem Boeken reichte den Obstsaft mit Gin herum und hob nur ein wenig den Kopf, als von nebenan Volker Prusius zu grölen begann und ein Lied von den Huren von Madagaskar sang.
»Geht der mit?« fragte er.
»Nein, wir fahren allein.«
»Wie lange wollen Sie draußen bleiben?«
»Ich rechne mit vier Tagen.«
»Inklusive Hin- und Rückfahrt?«
»Ja.«
»Gut. Ich notiere mir das. Sind Sie in vier Tagen nicht wieder hier, lasse ich Sie suchen, Doktor. Das ist meine Aufgabe. Können Sie schon eine Route angeben?«
»Ja. Kreuz und quer …«
»Vortrefflich. Dann kennt man sich ja aus.«
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