Wie ein Hauch von Zauberblüten
Schaden zugefügt: Der Arzt, der die noch unbekannte Infektionskrankheit heilen könnte, wäre unerreichbar.«
»Er ist auch unerreichbar, und zwar endgültig, wenn Sie mich erschießen lassen.«
»Das ist etwas anderes. Dann gibt es Sie nicht mehr! Dann kann mein Gewissen nicht mehr sagen: Er lebt noch, er könnte meinem Volk helfen, wenn er jetzt hier wäre … Das wäre dann vorbei. Der Tod schließt alle Spekulationen aus. Endgültig, Dr. Oppermann!«
»Sie haben eine verdrehte Logik.«
»Aber es ist eine Logik! Ich bemühe mich, sie auch Luba beizubringen.«
»Und wie nimmt sie diese Gedankensprünge auf?«
»Sie weigert sich, ihnen zu folgen.«
»Haben Sie etwas anderes erwartet? Luba ist ein Mensch von morgen!«
»Das heißt: Ich bin überholt? Ein Fossil?«
»Sie wollen mit dem Haß von gestern und heute die Zukunft bauen. Das ist absurd! Nie wird es ein freies Namibia auf dem Fundament der Erinnerungen an vergangene Untaten geben. Nur ein Namibia mit dem freien, vorurteilslosen Blick in die kommenden Jahrzehnte. Das ist die Krankheit der afrikanischen Freiheitsbewegung: sie blickt zuviel zurück! Sie ist belastet mit Ressentiments. Sie trägt zu schwer an ihrem Verlangen nach Rache und Vergeltung.«
»Ich wünsche mit Ihnen keine politische Diskussion zu führen«, sagte Olutoni und hob beide Hände. »Uns hat nur Luba zu interessieren. Allein sie!«
»Ich glaube, Sie haben Angst …« Dr. Oppermann strich sich über sein Gesicht. Seine Hände zitterten. Ihm war bewußt, daß dieses Gespräch vielleicht das letzte – vielleicht aber auch der Beginn vieler nachfolgender Gespräche war. Auf jeden Fall ein Gespräch, an dem sein Leben hing. »Angst vor Ihrer Pflicht als Vater und Guerillaführer.«
»Sie haben recht.« Olutonis Stimme klang ganz ruhig. »Was ich auch tue – eins muß ich opfern. Nicht ich habe Sie in der Hand, sondern Sie mich.«
»Es ist wirklich tragisch. Sie müssen sich zwischen Revolution und Vaterschaft entscheiden.«
»Das treibt mich dazu, Ihnen einen Vorschlag zu machen, Doktor.«
»Gibt es denn eine Alternative?«
»Lieben Sie Luba so wie ich?«
»Es wäre vielleicht vermessen zu sagen: Mehr!«
»Luba hat ihre Liebe geopfert, um Sie zu retten. Hätten Sie die Stärke, Ihre Liebe für Luba zu opfern?«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Sie gehen aus der Hütte hinaus, Sie bewegen sich frei, Sie sehen, daß niemand Sie bewacht, Sie sehen jenseits des Platzes einen Jeep stehen, der Zündschlüssel steckt im Schloß, Sie springen hinein und fahren los …«
»Und außerhalb des Lagers erwarten mich Ihre Leute und erschießen mich auf der Flucht. Es war mein freier Wille, dieses Risiko einzugehen.« Dr. Oppermann atmete tief durch. »Richtig so?«
»Exakt.«
»Dann wären Sie bei Luba fein heraus.«
»Das wollte ich damit klarmachen. Sie wird weinen, sie wird wie eine Witwe trauern – aber sie wird weiterleben wollen. Sie wird Sie wie einen Helden verehren, sie wird ihren Vater weiterlieben können, Sie werden ein schönes Grab bekommen, das Luba pflegen wird, und die Zeit läßt alle Wunden vernarben.«
»Das haben Sie sich wundervoll ausgedacht.« Dr. Oppermann pfiff durch die Zähne. »Und Pater Mooslachner?«
»Es geht jetzt nur um Sie und Luba. Und um mich! Sind Sie zu diesem Opfer bereit?«
»Nein!« sagte Dr. Oppermann laut. »Ihr Vorschlag ist absurd!«
»Dann werde ich Luba verlieren, das ist sicher«, sagte Olutoni leise. »Wissen Sie, Doktor, was das für mich bedeutet? Ich werde nur noch eine Maschine sein. Ein Vernichtungscomputer. Ich werde kein Herz mehr haben, keine Seele, keine Nerven, kein Auge für Qual und Tod. Ich werde tot sein und trotzdem töten. Sie werden es zuerst merken: Wenn wir schon alle zusammenbrechen, dann sollen Sie auch stückweise diesen Untergang erleben. Ich werde Sie, langsam, Glied nach Glied, auseinandernehmen lassen. Ich werde dann viel Zeit haben und abwarten können, bis die einzelnen Amputationen soweit verheilt sind, daß wir zur nächsten schreiten können. Die letzte wird Ihr Kopf sein. Aber bis dahin gibt es noch viel, was man wegnehmen kann, bis nur noch Rumpf und Kopf übrigbleiben.«
Dr. Oppermann zog die Schultern hoch. Ein Frösteln durchlief seinen Körper.
»Dann fangen Sie heute an …« sagte er heiser. »Geben Sie mir einen Tip, womit. Vielleicht kann ich Sie chirurgisch beraten …«
Ohne Erwiderung stand Olutoni auf und verließ die Hütte. Dr. Oppermann fiel auf sein Lager zurück und
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