Wie ein Hauch von Zauberblüten
schloß die Augen. Jetzt spürte er, wie das Zittern seinen ganzen Körper beherrschte.
Die Aussicht, stückweise sterben zu müssen, erzeugt keine Helden.
Gegen Mittag kam Luba wieder in die Hütte. Sie wurde von zwei Guerilleros begleitet, die am Eingang stehen blieben und stumm jeden ihrer Handgriffe beobachteten. Dr. Oppermann war vorsichtig; er stöhnte auf wie vor Schmerz, als Luba ihm die Bandage von den Rippen wickelte.
»Sie sprechen kein Englisch«, sagte sie und lächelte ihn an. »Sie sind nur mitgekommen, um mich vor dir zu schützen.«
»Anders gesagt: Dein Vater läßt dich beobachten.«
»Er hat Angst, wir könnten jede Möglichkeit ausnutzen, um uns zu lieben.« Sie legte ihren Kopf an seine nackte Brust, – es sah aus, als höre sie sein Herz ab. Oppermann bezwang sich, nicht seine Arme um sie zu schlingen und sie fest an sich zu drücken. »Ich komme in der Nacht zu dir …« flüsterte sie.
Die letzte Nacht, dachte Oppermann. Es durchrann ihn heiß: Sie weiß es nicht, Olutoni hat noch nicht mit ihr darüber gesprochen. Er wird sie plötzlich wegbringen lassen, er wird hören, wie sie schreit, sein Vaterherz wird bluten, und seine ganze unbeherrschbare Qual wird sich an mir austoben. Die langsame Zerstückelung …
Oppermann nickte schwach. Er ließ Luba die heimliche Freude, ihn heute nacht zu besuchen. Ich kann ihr die Wahrheit nicht sagen, dachte er. Ich bezweifle sogar, daß sie es glauben wird. Kein Kind traut seinem Vater eine solche Grausamkeit zu, und am wenigsten Luba, die Olutoni wie einen Heros verehrt.
Luba klopfte seinen Brustkorb ab; Oppermann ließ ab und zu ein heiseres Stöhnen hören, um den beiden Wächtern zu beweisen, wie schwer verletzt er war. Dann umfaßte Luba seinen Kopf, blickte ihn mit strahlenden Augen an und sagte: »Jetzt mußt du lauter stöhnen und nach hinten fallen. Ich schüttele deinen Kopf.«
Sie rüttelte an ihm, Oppermann stieß gehorsam einen heiseren Laut aus, warf die Arme hoch und sank in sich zusammen. Luba fing ihn auf und legte ihn auf das Deckenlager zurück. Die Guerilleros grinsten. Der Weiße hatte Schmerzen, das erfreute sie.
Mit einer neuen Bandage umwickelte Luba dann seine Brust, holte aus ihrer Klapptasche eine Chromdose und entnahm ihr eine Injektionsspritze. Verwundert schielte Oppermann auf das Spritzenbesteck.
»Wo hast du denn das her?« fragte er. Es klang wie ein Seufzen.
»Unsere Truppe ist mit den modernsten Geräten ausgerüstet. Wir haben sogar zwei zusammensetzbare Geschütze bei uns. Und drei Raketenwerfer. Das Lazarettdepot ist voll. Das meiste davon kommt aus Deutschland. Auch die Spritzen.«
»Wer liefert das?«
»Ich weiß es nicht.« Sie zog eine Spritze auf.
»Du willst mir eine Injektion machen?« fragte Oppermann abweisend.
»Nur Vitamine, Liebling.« Sie lächelte zärtlich und strich mit den Fingerspitzen über seinen Körper. Es war, als gleite ein Feuerstrahl über seine Haut. »Wenn sie sehen, daß du eine Spritze bekommst, sind sie zufrieden. Nur Kranke bekommen eine Injektion. Sie haben alle große Ehrfurcht vor der Nadel.«
Sie stieß in seinen Oberschenkel, er spürte es kaum, und ebenso schnell war die Injektion beendet. Mit einem Zellstoffläppchen wischte sie über die Einstichstelle.
»Du injizierst meisterhaft«, sagte Oppermann. »Mein Kompliment. Ich kann es nicht besser. Wenn das hier vorbei ist, werde ich dir alle Injektionen übertragen.«
Er sagte es ohne Schwanken in der Stimme. Sie lachte leise, beugte sich wieder über ihn und küßte seinen Hals. Für die Bewacher mußte es aussehen, als höre sie sein Herz ab.
»Erschrick nicht, wenn ich nachts zu dir komme«, sagte sie und ließ sich auf die Knie zurücksinken. »Es ist kein böses Tier, es ist nur ein wildes Tier, das dich lieben will …«
»Ich warte auf dich, Luba.«
»Du brauchst nicht den ganzen Tag in der Hütte zu bleiben. Wenn du willst, kannst du draußen herumlaufen. Oder dich in den Schatten legen. Pater Mooslachner geht schon herum mit seinem geschienten Bein und erzählt allen, daß am nächsten Sonntag im Lager ein Gottesdienst stattfindet. Viele unserer Leute sind getauft.«
»Ich wünschte, ich hätte ein wenig von Mooslachners Kraft. Ich beginne, ihn zu bewundern.«
Sie lachte verhalten, erhob sich, ergriff ihre Visitentasche – auch sie ein deutsches Fabrikat – und ging zum Ausgang. Die beiden Guerilleros traten zurück, warteten, bis Luba draußen war, und ließen dann den Vorhang fallen.
Dr.
Weitere Kostenlose Bücher