Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Oppermann starrte vor sich hin. Ein lähmendes Gefühl überfiel ihn. Was macht man mit seinen letzten Stunden? So viel ist darüber geschrieben und gesagt worden, so viel Unsinniges, Theatralisches, Theoretisches. Das vergangene Leben soll vor einem abspulen wie ein Film, die Todesangst soll einem das Herz umklammern, man soll nach einer Ablenkung für diese letzten Stunden suchen – vielleicht rauchen ohne Unterbrechung, oder schreiben oder wie ein gefangenes Tier immer rund herum laufen. Man kann schreien oder mit einem Priester sprechen, oder beten, Schach spielen oder Radio hören, und je näher man der letzten Minute kommt, um so schwerer wird das Herz, bis das Blei der Verzweiflung in allen Gliedern steckt und die Gelenke nicht mehr gehorchen.
    Nichts von alledem tat oder empfand er. Nichts. Da war nur eine schreckliche Leere, die sich nicht ausfüllen ließ. Ein lähmendes Nicht-begreifen-Können, daß in Kürze jedes Bewußtsein, jede Empfindung aufhören soll.
    Nach einiger Zeit erhob er sich, schob den Vorhang hoch und blickte hinaus. Erstaunt sah er, daß auch Frauen im Lager waren. In Kochgruben garten sie Fleisch, mahlten Hirse und Mais, buken Brot in Backöfen, die man wie Unterstände in die Erde gegraben und mit Bäumen und Dornbüschen vorzüglich getarnt hatte. Nirgendwo war ein offenes Feuer zu sehen. Jede Rauchfahne konnte zum Verräter werden. Abseits exerzierten wieder einige Gruppen von Guerilleros mit Gewehren und Maschinenwaffen. Ein Trupp hetzte im Laufschritt, mit Steinen beschwerte Säcke auf den Rücken, rund um den Platz. Im Schatten hockten andere Gruppen und reinigten ihre Waffen. Eine Patrouille kam aus dem Veld zurück, staubig, müde, mit gelbbraunen Tarnanzügen bekleidet. Sie brachten eine Kuhantilope mit, die sie nicht geschossen, sondern mit Pfeilen erlegt hatten. Nur keinen Lärm machen, nicht auffallen, unsichtbar bleiben: Gespenster in der Steppe, deren Anblick allerdings tödlich ist.
    Pater Mooslachner stand unter einer Schirmakazie und rauchte Pfeife. Aus dem Sessel des Kommandanten hatte man ihn herausgezogen und das wertvolle Stück dann weggetragen. Auf seinen dicken Knüppel gestützt, stand er mißmutig herum, ärgerte sich über die hindernde Beinschiene und dachte angestrengt nach, wie er die Langeweile verjagen könnte. Als er Dr. Oppermann kommen sah, winkte er mit seiner Pfeife, als schwenke er ein Fahne.
    »Da sind Sie ja wieder!« rief er, als Oppermann vor ihm stand. »Ich dachte schon, man hätte Sie bereits vorgenommen. Ehrlich, ich hatte eine schreckliche Angst davor, zu Ihnen zu kommen und die Hütte leer vorzufinden.«
    »Sie wissen also, was uns blüht, Pater?«
    »Olutoni ist ein ehrlicher Mensch. Er haßt Unklarheiten.«
    »Das kann ich bestätigen«, sagte Oppermann bitter.
    »Es wird morgen früh sein. Ein ehrenvolles Füsilieren.«
    »Bei Ihnen? Gratuliere.«
    »Sie nicht?«
    »Mitnichten. Ich werde in Einzelteile zerlegt.«
    »Darüber spreche ich mit dem Knaben noch!« sagte Mooslachner empört. »Das ist nicht sein Stil! Ich werde verlangen, daß er uns Seite an Seite an die Wand stellt. Wir werden zusammen beten, und ganz zum Schluß erzähle ich Ihnen noch einen Witz. Hoffentlich versauen sie mir nicht die Pointe und drücken vorzeitig ab!« Er hielt seine Pfeife hoch. »Ist auch von Olutoni. Ich habe ihm gesagt, meine sei im Flugzeug verbrannt. Ruckzuck war eine neue da! Ein erstaunlicher Bursche. Nur mit Luba scheint er Kummer zu haben.« Mooslachner blickte in die Runde. »Was können wir unternehmen, Doktor? Es ist stinklangweilig hier. Die Kerle exerzieren wie beim alten preußischen Kommiß! Sehen Sie sich das an. Kasernenhofdrill! Sogar Grüßen lernen sie. In der Mittagspause werde ich ihnen aus dem Neuen Testament erzählen. Aber bis dahin?«
    »Sie kennen keine Angst vor dem Sterben, nicht wahr, Pater?« fragte Oppermann leise.
    »Sie verkennen mich, Doktor. Hätte ich nicht so vorzügliche Schließmuskeln; ich glaube, ich hätte mir schon mehrmals in die Hose gemacht. Ich bin ein Mensch wie jeder andere, übersehen Sie das nicht. Ich lebe viel zu gern, auch wenn ich hoffe, daß Gott mir seinen Himmel nicht verwehren wird. Es ist nicht notwendig, das frühzeitig zu erproben. Doktor, ich möchte bald wieder einmal in Windhoek im ›Thüringer Hof‹ Gänsebraten mit rohen Klößen und Rotkraut essen. Und dazu ein Bier vom Faß. Wenn ich daran denke und dann unsere Lage betrachte, ist mir verdammt zum Heulen zumute.«
    »Was haben sie

Weitere Kostenlose Bücher