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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stunden trugen sie Luba. Um die Mittagszeit war sie stumm zusammengebrochen. Mooslachner und Oppermann hatten die Deckenenden verknotet und schleppten Luba in einer Art Hängematte durch die Steppe. Nicht einmal zwei Stämme fanden sie in der grenzenlosen Einöde, die man durch die Deckenenden hätte schieben können, um Luba leichter zu tragen, indem man das Gewicht verteilte. Man mußte mit beiden Händen die Knoten umklammern und sie an die Schulter pressen. Schritt um Schritt ging es vorwärts, quälend langsam, immer wieder setzten sie Luba ab, wechselten die Schulter, holten tief Atem, hielten sich den schmerzenden Leib.
    Ein paarmal versuchte Luba, wieder selbst zu gehen, aber nach kaum hundert Metern sank sie in sich zusammen. Später pendelte sie in der Decke, hatte die Hände über dem Leib gefaltet und weinte.
    Dann kam endlich die Rast in der Dünenmulde unter dem Busch, die letzte Rast vielleicht. Mooslachner warf sich mit einem ächzenden Laut auf den Boden, Oppermann legte sich neben Luba und umfaßte ihren schmalen, mit einem Brei aus Schweiß und Staub verklebten Kopf.
    »Wie fühlst du dich?« fragte er. Seine Stimme hatte keinen Ton mehr.
    »Besser. Ich bin ja nicht gelaufen …«
    Jetzt log sie, und er tat ihr den Gefallen, zu glauben, daß es ihr besser ging. Er küßte ihre aufgerissenen Lippen, goß ein wenig Wasser auf ein aus seinem Hemd gerissenes Stückchen Stoff, rieb damit ihre Lippen ein, wischte ihr die Augen aus und den Staub aus den Nasenlöchern.
    »Wir sind gut vorangekommen«, sagte er. »Wir werden diese Nacht schlafen und uns erholen.«
    »Morgen kann ich auch wieder laufen«, flüsterte sie.
    »Bestimmt.« Er küßte sie wieder und hätte schreien können vor Qual. »Morgen sind wir alle wieder kräftiger. Es kann nicht mehr weit sein bis zum Pad.«
    »Nein.« Sie schüttelte schwach den Kopf. »Sechs Tage nichts … Das muß doch einmal aufhören.«
    Nach dem Essen – in Wasser gelöstes Milchpulver mit etwas Gries, der kaum aufquoll im lauwarmen Wasser – schlief Luba ein. Oppermann wagte nicht, die Verbände zu lösen und die Wunden anzusehen. Er würde den Anblick kaum ertragen können.
    Während Luba schlief, hockten Mooslachner und Oppermann an einem kleinen Feuer und starrten schweigend in die Flammen. Das Prasseln des Feuers und das Knacken der Zweige waren die einzigen Laute in der vollkommenen Stille, die sie umgab. Der Sternenhimmel war so klar, als könne man jeden Stern greifen. Die Unendlichkeit war spürbar, sobald man den Blick nach oben wandte.
    »Sind wir am Ende, Pater?« fragte Oppermann plötzlich.
    Mooslachner zuckte zusammen. »Sie haben eine brutale Art, einen aus Träumen zu reißen. Ich dachte gerade intensiv an einen Wildgansbraten. Mit Rotkraut und Zwiebeln.« Er streckte sich, schob die nackten Beine gegen das Feuer und wunderte sich, daß Muskeln und Sehnen noch gehorchten.
    »Es scheint so.«
    »Wie lange noch?«
    »Ich gebe Luba noch einen Tag … Uns zwei. Dann tragen uns die Beine nicht mehr. Dann kippen wir einfach um.«
    »Und verrecken in der Sonne.«
    »Man kann das so nennen. Tröstlich ist, daß wir nicht verfaulen werden. Wir trocknen aus, werden mumifiziert, verwandeln uns zu Leder. Später zerfallen wir zu Staub. Damit erfüllen wir genau die Begräbnisformel: Aus Erde bist du geschaffen, zu Erde wirst du werden … Sie sehen, Doktor, alles hat letztlich seinen Sinn, auch das Sinnloseste.«
    »Ich habe eine große Bitte, Pater.«
    »Nein!«
    »Sie wissen ja gar nicht, was ich sagen will …«
    »Nein und nochmals nein! Ich erschieße Sie nicht, wenn Sie Luba erschossen haben!«
    »Halten Sie mich für so einen Feigling?«
    »Was wollen Sie dann?«
    Oppermann hob den Kopf. Der Feuerschein zuckte über ihm, als läge er in den Flammen.
    »Ich bitte Sie, Pater, Luba und mich zu trauen.«
    »Jetzt?«
    »Ja.« Oppermann richtete sich auf. Jede Bewegung war so anstrengend, als müsse er einen Felsblock wegstemmen. »Oder geht das nicht? Luba und ich sind evangelisch.«
    »Das ist doch scheißegal!« sagte Mooslachner heiser. »Wenn wir vor Gott stehen, fragt der bestimmt nicht: Papst oder Luther? – Wann wollen wir trauen, Doktor?«
    »Sobald Luba wieder wach ist.«
    »In Ordnung.«
    »Ich danke Ihnen, Pater.« Oppermann warf sich auf den Rücken und blickte in den Sternenhimmel. »Sie halten mich für verrückt, nicht wahr?«
    »Zum erstenmal nicht, Doktor!« sagte Mooslachner giftig und blinzelte Oppermann zu. »Ich hätte es Ihnen bis

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