Wie ein Hauch von Zauberblüten
nicht nur Jagdgewehre, sondern auch Schnellfeuergewehre, Maschinenpistolen, Minenwerfer, Gewehrgranaten, leichte Geschütze, schwere Maschinengewehre und kleine Raketenwerfer über die Grenze von Angola ins Ovamboland geschafft wurden. Die SWAPO, die ›Südwestafrikanische Volksorganisation‹, die für ein freies Namibia kämpfte, mit Guerillagruppen, Überfällen, Mord und Brand, Sabotage und Terror, Entführungen und Bomben, dementierte das nicht. Und nicht nur sowjetische Waffen fand man bei den Razzien, nicht nur Kalaschnikow-MPs und schwere Nagans, sondern auch Waffen aller Art aus Frankreich, England, Deutschland, der Schweiz, Italien und den USA. Vom sizilianischen Stilett bis zum Präzisions-Schnellfeuergewehr aus einer süddeutschen Waffenschmiede – es war alles vorhanden, hoch im Norden zwischen Kunene und Okavango.
Jede Beschlagnahme hatte nur einen vorübergehenden Erfolg. Wenig später wurden die heimlichen Arsenale wieder aufgefüllt. Man erzählte sich, daß die Guerillas schon jetzt mehr Munition und Kriegsmaterial in unterirdischen Buschverstecken besaßen, als die zahlenmäßig schwachen südafrikanischen Regierungstruppen, die an den Grenzen patrouillierten und den Caprivizipfel besetzt hielten, diese Landzunge, die an vier Länder stößt: Angola, Sambia, Rhodesien und Botswana. Wenn die Revolution von außen hereinkam, dann nur über diese lange, unübersichtliche Grenze. Es war unmöglich, sie abzuschließen; endlos dehnten sich Steppe und Busch, und irgendwo querdurch verlief die Grenze.
Der mumienhafte Alte hatte den Becher leergeschlürft und hielt ihn mit einer herrischen Geste zur Seite. Urulele sah Dr. Oppermann fragend an. Der nickte, und Urulele schenkte ein.
»Ich bin bereit, mit Ihnen zu reden!« sagte der Schrumpfkopf nach einer Weile. Es klang so gnädig, als verleihe er einen Adelstitel. Dabei sah er Dr. Oppermann stolz an, schlug die Beine übereinander, wippte mit den Füßen und lehnte sich zurück.
»Das freut mich ungemein«, antwortete Dr. Oppermann. »Bisher sind wir uns nur klar darüber, daß Sie mich hassen.«
»Das wird sich nicht ändern, Sir.«
»Ich akzeptiere Ihre Standhaftigkeit.«
»Zu mir.« Der Alte nahm wieder einen Schluck Genever. »Ich bin in Johannesburg und Pretoria ausgebildet, als Arzthelfer. Später habe ich im Hospital von Bloemfontein auch als OP-Helfer gearbeitet. Sie sehen, Sir, ich komme nicht von der Zaubermedizin her, ich praktiziere nach der akademischen Lehre. Persönliche Umstände zwangen mich, meine Stellungen an den Hospitälern aufzugeben. Ich war nämlich noch in Kimberley, Durban, Port Elizabeth, East London, Paarl, Oudtshoorn und im Sanatorium von Knysna.«
»Eine imponierende Liste«, sagte Dr. Oppermann. »Wieso wurden Sie bei soviel klinischer Erfahrung Medizinmann Ihres Stammes?«
»Durch ein rein persönliches Mißgeschick.« Der Schrumpfkopf hielt Urulele wiederum den Plastikbecher hin. »Es war nicht aufzuhalten.«
»Sie waren dauernd besoffen!« sagte Dr. Oppermann. »Überall sind Sie nach einiger Zeit 'rausgeflogen.«
»So ist es!« Der Alte grinste. »Ihr Genever ist vorzüglich. – Dr. Oppermann, ich habe den Verband gesehen, den Sie dem kleinen Molongo angelegt haben. Sehr ordentlich.«
»Das ehrt mich.«
»Werden Sie nicht spöttisch, Sir! Ich habe in den Hospitälern genug erlebt. Da gab es hochnäsige Ärzte, die mich nicht einmal mit dem Hintern ansahen – aber keinen Verband konnten sie richtig anlegen, und bei Injektionen fabrizierten sie laufend Spritzenhämatome. Wir, die armseligen Helfer, konnten das alles viel besser. Bei mir verrutschte kein Verband, und ich traf sofort die Vene, während die Ärzte mit der Nadel herumstocherten. Manchmal war es eine Qual, das mit anzusehen. Aber man mußte ja den Mund halten. Man war ja kein Arzt, und man ist Schwarzer. Oh, Himmel, wenn ich etwas gesagt hätte!«
»So ist es nicht nur hierzulande«, sagte Dr. Oppermann. Er hatte nur einen Genever getrunken und blieb jetzt beim Kaffee, um einen klaren Kopf zu behalten. Es wurde heiß, die Sonne stand voll über dem Busch, die Luft begann zu flimmern, der Horizont verschwamm. »Auch bei uns gibt es junge Ärzte, die nicht palpieren können, die bei Blutentnahmen zittern und vor einem EKG-Streifen wie vor einem Labyrinth stehen. Aber in der Theorie sind sie summa cum laude!«
»Ja, wir sind die Praktiker, Sir!« Der mumienhafte Alte schlürfte genußvoll seinen Schnaps. »Was ich Ihnen übelnehme: Sie machen
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