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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte er mit tiefer Stimme. »Wir haben beschlossen, daß du uns allen helfen sollst.« Er sah hinüber zu Urulele, dann wanderte sein Blick weiter zu dem Landrover und zurück zum Hauptzelt. »Warum bist du allein gekommen?« Urulele schien für ihn nicht zu zählen.
    »Ich will, daß ihr Vertrauen zu mir habt. Zu mir allein.«
    »Wir sind da.« Der Häuptling nickte würdevoll. »Viele sind krank.«
    »Wie viele sind gestorben?«
    »Zweiundzwanzig. Der Weg war zu weit für ihre Schwäche.«
    Zwischen dem großen Tisch und dem Labortisch baute der alte Medizinmann jetzt seine Klinik auf. Aus den Kisten holte er ein zerfleddertes Löwenfell, einen Jutesack mit kleinen und größeren Knochen von Leoparden, Affen, Löwen, Böckchen, Hyänen, Schakalen und Geiern, leerte einen Beutel mit bleichen Tierzähnen auf den Tisch und wickelte schließlich, als größten Schatz, aus einer reich mit Goldfäden und bunten Perlen bestickten Decke ein Kaleidoskop aus, eine jener Pappröhren, in denen, wenn man hindurchsieht, bunte Glasscherben durch mehrfache Spiegelung beim Schütteln immer neue phantastische Figuren ergeben. Solche Wunder galten als Gipfelpunkt der Zauberei und Magie, als direkte Verbindung zu den Geistern oben bei den Sternen. Wer in diese Röhre blicken durfte, sah in das Herz der Sterne – so erklärte es der Medizinmann – und erlebte den unendlichen Glanz und die unfaßbare Schönheit des Jenseits.
    »Wenn Sie lachen, Sir, bringe ich Sie um!« flüsterte der Alte, während er das Kaleidoskop, sozusagen gleichberechtigt, neben das blitzende Instrumentarium legte. »Sie wissen nicht, wie glücklich und friedlich man dadurch sterben kann. Jeden Sterbenden lasse ich hineinsehen, und wenn er diesen Glanz der fernen Welten sieht, geht er mit einem Lächeln von dieser Erde. So etwas können Sie mit Ihrer ganzen Perfektion nicht bieten. Bei mir stirbt man fröhlich.« Er kehrte zurück zu seinen Kisten, holte noch einen präparierten Leopardenkopf hervor und baute ihn vor dem Tisch auf. »Wir können anfangen!«
    »Wo haben Sie das Kaleidoskop her?« fragte Dr. Oppermann. Er streifte die dünnen Gummihandschuhe über, Urulele tat es ihm nach. Die Kranken starrten sie stumm an. Ein paar Kinder weinten leise. Die Mütter drückten sie an sich und hielten ihnen den Mund zu.
    »Aus Johannesburg. Bei einem deutschen Volksfest habe ich es auf ein Los gewonnen. Sie nannten es Oktoberfest. Ich war damals OP-Helfer im Hospital.« Die Mumie legte zärtlich die Hand auf die Pappröhre mit den zauberhaften Glassternen. »Sie ist so wertvoll wie meine Augen. Durch sie bin ich eigentlich erst als Medizinmann anerkannt worden. Kein anderer kann die Pracht der Sterne in eine Röhre einfangen und den Menschen zeigen.« Er blickte auf die Kolonne der Kranken. »Wie wollen Sie vorgehen, Sir?«
    »Jeder kommt zuerst einzeln zu mir, ich untersuche, dann geht er weiter zu Ihnen, und wenn Sie ihn behandelt haben, wird Urulele mit Ihnen zusammen die Präparate entnehmen. Dann geht der Kreis von neuem los: Behandeln und verbinden.«
    »Das wird ein harter Tag«, sagte die Mumie. »Das schaffen wir nicht, Sir.«
    »Wir haben Zeit.« Dr. Oppermann kam um den Tisch zurück und spreizte die Hände in den Gummihandschuhen. »Ich rechne ohnehin mit einer Woche. Ich muß auch euer Vieh sehen.«
    »Warum denn das?«
    »Ich vermute, die Quelle der Infektion sitzt dort.«
    »Das wäre furchtbar!« Die Stimme der Mumie wurde zittrig. »Ohne unser Vieh werden wir alle sterben.«
    Die Reihenuntersuchung, der erste Überblick, dauerte bis zur Abenddämmerung. Das Ergebnis war trostlos. Jeder Zweite der Nomaden war erkrankt – wenn nicht an der geheimnisvollen Infektion, dann an Mangelerscheinungen durch einseitige Ernährung, an Wurmbefall, Tuberkulose oder Knochendeformationen. Am Abend waren die Untersuchungen beendet und von den Leuten mit Augeneiterungen die Präparate entnommen. Aber zur Behandlung war man nicht mehr gekommen; sie mußte auf den nächsten Tag verschoben werden.
    Schuld daran trug die Mumie. Wenn Dr. Oppermann einen Patienten an ihn weiterreichte, kam er in den Bereich der Zaubermedizin. Und was dort geschah, dauerte länger als eine normale Untersuchung. Der Schrumpfkopf warf Knochen in die Höhe und weissagte aus der Lage, in die sie gefallen waren, was die Geister und Ahnen rieten. Er ließ getrocknete Riesenspinnen auf der Handfläche tanzen, oder die Kranken mußten mit geschlossenen Augen den Leopardenkopf berühren und laut

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