Wie ein Hauch von Zauberblüten
Mangelerscheinungen und Tuberkulose. Für sie war die Einweisung in ein Hospital wichtig; eine sofortige intensive Therapie konnte sie heilen.
Nach dem Mittagessen ruhte sich Oppermann auf der Klappliege aus. Er lag im Halbschlaf, als ihn Uruleles Schrei aufschreckte. Marcus-Tomba stürzte ins Zelt, fuchtelte mit den Armen, legte beide Hände auf seine Glatze und massierte sie wie noch nie.
»Sie kommen!« schrie er. Seine Stimme überschlug sich vor Begeisterung. Oppermann deutete es anders, er griff sofort zu einem Schnellfeuergewehr.
»Büffel oder Elefanten?!«
»Wagen! Lastwagen, Master Doktor! Ihre Lastwagen! Sie kommen wirklich!« Urulele begann zu tanzen, hüpfte im Kreis herum und schlenkerte mit den Armen. Er war in diesem Augenblick nichts als ein vor Freude stampfender Ovambo.
Dr. Oppermann rannte hinaus. Noch war nichts zu sehen – nur ganz in der Ferne eine in der flimmernden Hitzeluft schwebende hellgelbe Staubwolke. Das konnte alles mögliche sein: eine galoppierende Gnuherde, eine Wand aufgeregter Elefanten, ein Zug Kaffernbüffel auf der Flucht vor irgendeiner Gefahr. Aber wenn Urulele sagte, es seien Lastwagen, dann stimmte es. Er sah, hörte und roch ja auch Tiere, wo ein Weißer achtlos vorbeischlenderte.
Minuten später erkannte auch Oppermann die Aufbauten der Wagen. Er freute sich über seinen Erfolg, aber er blieb vorsichtig. Die Sache mußte einen Haken haben. Es war schier undenkbar, daß ein Mann wie Erasmus van Dehlen aus eigener Initiative die Aktion genehmigt hatte.
Jack Bostel hatte ein Gespür und auch ein Herz für gewisse Dinge, die mit Takt zu behandeln sind. Er tat so, als ob am Motor seines Lastwagens etwas klappere, riß die Motorhaube hoch und suchte nach der Ursache, noch ehe er Dr. Oppermann begrüßte. Er ließ Luba den Vortritt. Mit einem Grinsen beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie sie mit wehenden Haaren auf Oppermann zulief.
Es fehlte nur noch, daß beide die Arme ausbreiteten und sich umarmten.
Pater Mooslachner, der mit geraffter Soutane an ihm vorbeilief, wurde sofort festgehalten.
»Was ist denn los?« keuchte der Pater. »Jack, Sie reißen mir einen Knopf ab!«
»Es sind ja genug dran!« Bostel hielt Mooslachner fest. »Immer der Reihe nach mit dem Wiedersehen. Zuerst ist unser Mädchen dran!«
Mooslachner befreite sich aus dem Griff und lehnte sich gegen das Auto. Auch er sah nun, wie Luba auf Dr. Oppermann zustürmte. Sie trug weiße Shorts, aber an den langen, braunen Beinen halbhohe, derbe Stiefel, ein Schutz gegen Schlangen, Skorpione und andere gefährliche Tiere.
»Sprechen Sie nicht aus, Jack, was ich nicht zu denken wage!« sagte er betroffen.
»Sie wohnt doch in Outjo bei Ihnen. Hat sie nie mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Nie! Mit Ihnen etwa?«
»Natürlich nicht. Aber ich habe sie ein paar Stunden neben mir im Wagen gehabt. Sie hat fast ununterbrochen geredet, und es war immer nur ein Thema: Dr. Oppermann! Ein Hymnus! Braucht man da noch andere Erklärungen?«
»Es wäre furchtbar!« sagte Mooslachner bedrückt. »Machen wir uns doch nichts vor von wegen liberalisiertem Denken! Es wäre Dr. Oppermanns Ende in Südafrika! Und auch Luba wird gegen Felswände anrennen.« Er sah Jack Bostel mit zusammengekniffenen Augen an. »Jack! Sie reden da doch dummes Zeug. Sind Sie denn so tolerant?«
»Ich bin hier geboren. Meine Familie lebt seit neunzig Jahren in Südwest. Ich könnte es nie mit einer Farbigen … offiziell.«
»Aha! Offiziell! Jack, Gott hat für Heuchelei nichts übrig.«
»Aber der Mensch kann sie manchmal gebrauchen. Als Schutzpanzer.« Er schwieg, nickte hinüber zum Zelt und schüttelte den Kopf. »Nein, so was! Sie geben sich keinen Kuß! Pater, ist das nun auch Heuchelei?«
»Sie sind klüger als wir, Jack!« Mooslachner setzte sich in Bewegung. »Schämen wir uns unserer schamlosen Gedanken!«
Kurz ehe sie Oppermann erreichte, blieb Luba stehen. Ihr Drang, sich in seine Arme zu werfen, seinen Nacken zu umschlingen, ihn zu küssen, sich an ihn zu pressen, ihn zu fühlen, wurde gelähmt von der scheußlichen Mahnung: Du bist eine Farbige!
So blieb sie abrupt stehen, mit hängenden Armen, mit zitternden Lippen, und nur ihre großen schwarzen Augen sprachen unverhüllt aus, was sie nicht sagen und nicht tun durfte. Ihr Atem flog, das lange Haar wehte über ihr herrliches Gesicht, das eine Wildheit verriet, die Oppermann so noch nie an ihr bemerkt hatte.
»Luba –«, sagte er. Seine Stimme war belegt, und das
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