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Wie ein Haus aus Karten

Wie ein Haus aus Karten

Titel: Wie ein Haus aus Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Feireiss
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Mädchen bei meinen Eltern Privilegien, die wir Buben ihr beim besten Willen nicht streitig machen konnten. Sie war sehr lebhaft, setzte meistens ihren Kopf durch und hatte bei Vater und Mutter mehr Einfluss, als mir lieb war.« Als Josef als Junge das Reiten für sich entdeckt, kann er der Tatsache, dass seine Schwester diese Passion mit ihm teilt, nichts Positives abgewinnen. Er schreibt: »Auch meine Schwester ritt gern, was mir, als die Leidenschaft richtig von mir Besitz ergriffen hatte, gar nicht mehr recht war … es gab mir einen Stich ins Herz, wenn ich Mady auf einem ›meiner‹ Pferde sah.«
    Viel mehr Sätze hat Necko in seinen vierhundert Seiten umfassenden Erinnerungen nicht für seine Schwester Mady übrig. Die Zeit im Gefängnis, in der sie ihm die größte Stütze und Hilfe gewesen ist, ist vergessen. Josefs tiefsitzende Vorbehalte seiner Schwester gegenüber richten sich, das wird aus seinen Äußerungen deutlich, insbesondere gegen ihren unkonventionellen Ehemann, der überdies einen Doktortitel hat. Aufhalten kann Mady die zunächst noch unterschwellige Abneigung ihres Bruders gegen ihren Mann nicht. Sie beginnt an dem Tag, an dem dieser zum ersten Mal das Neckermann’sche Haus in der Sterngasse betritt. Seit dieser Begegnung sieht Josef das neue Familienmitglied als Bedrohung an. Diese Empfindung überdauert selbst den Tod des Rivalen.
    Auch in Neckos Lebenserinnerungen flackert die Abneigung seinem Schwager gegenüber noch einmal auf. Er zitiert meinen Vater mit einem Satz, in dem er ihm berechnende Absichten bei der Verteilung des elterlichen Vermögens unterstellt: »Nun, du darfst natürlich nicht vergessen, dass wir … hm, also dass Mady auch … gewisse Rechte …« Mein Pflegevater endet mit der Bemerkung: »Ich kapierte.«
    Was als Eifersüchtelei wegen des Familienvermögens beginnt, wird bei Josef zur Obsession. Die Wurzeln dieser Entwicklung liegen in seiner eigenen Familie. Josef fühlt sich in der Liebesrangordnung seiner Mutter, die er bis ins hohe Alter liebt und verehrt und zärtlich »Mutsch« nennt, zurückgesetzt. Sein jüngerer Bruder Walter bleibt ein Leben lang ihr hilfsbedürftiges Nesthäkchen. Seine große Schwester beneidet er dagegen um ihre Vertrauensstellung zur Mutter, die auch nach Madys Hochzeit unangefochten bleibt. Mehr noch: Nun kommt noch ein Schwager hinzu, der sich, vor allem nach dem Tod der eigenen Mutter, stark zu seiner Schwiegermutter hingezogen fühlt.
    Neckos Antipathie gegen seine Schwester und ihren Mann bricht noch Jahre nach deren Tod immer wieder durch. Als Tante Greta an ihrem zweiten Herzinfarkt im August 1958 stirbt und mich mein Pflegevater auf die Beerdigung nach Hofheim mitnimmt, kommt es zu einem kurzen, für mich unvergesslichen Zwischenfall. Als ich meinen Onkel Emil auf dem Friedhof begrüße und ihm aus Freude über das Wiedersehen zulächele, weist mich Necko im Beisein der Trauergäste scharf zurecht. Für seine Entrüstung findet er einen Vergleich mit seiner Schwester Mady: »Du bist genauso verkommen wie deine Mutter.« Und er fügt hinzu: »Auf einer Beerdigung lächelt man nicht.« Als meine Schwester Uschi einige Wochen darauf mit einer Baskenmütze auf dem Kopf in die Sonntagsmesse gehen will, schreit er sie, wegen ihrer unpassenden Kopfbedeckung, mit den Worten an: »Die Langs sind alle verkommen!«

Dazwischen 2
    Sie saß im Journalistenclub des Springer-Hochhauses in einem ausladenden englischen Landhaussessel mit dunkelgrünem Lederbezug und hatte die Beine übereinandergeschlagen. Der Rock, den sie an Stelle der obligatorischen Jeans für die bevorstehende Unterredung angezogen hatte, ließ ihre Beine noch länger erscheinen. Er war schwarz und eng, die Jacke schwarzweiß kariert. Den Pony hatte sie am Morgen noch schnell mit der Nagelschere in Form gebracht. Sie sah aus wie eine Chefsekretärin beim Vorstellungsgespräch.
    Bereit sein ist alles, dachte sie, denn dass etwas auf sie zukommen würde, war ihr klar, und sie wollte dem Angreifer weder innerlich noch äußerlich unvorbereitet gegenübertreten. In dem Journalistenclub, in den ihr Chefredakteur, ein General a. D., sie bestellt hatte, trafen sich die Springer-Redakteure in der Regel nur mit Interviewpartnern und Informanten, oder die Führungskräfte mit Geschäftsfreunden und VIPs.
    Der lange Arm des Pflegevaters, mit dem er bei ihrer Scheidung gedroht hatte, ihr berufliches Fortkommen zu behindern, hatte den Springer-Verlag offensichtlich nicht

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