Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
gepflückt.«
»Wo kommen sie denn dann her?«
»Grady hat sie mir gebracht.«
Jakes Kopf fuhr zurück. Sekunden verflossen schwerfällig, während er sie anstarrte. Langsam drückte er die Knie durch und erhob sich zu voller Größe. Er nahm den Hut ab, der während ihrer Umarmung auf seinem Kopf geblieben war, knallte ihn auf seinen Schenkel und ließ so eine Staubwolke auffliegen.
»Ich hoffe, ich habe dich falsch verstanden.«
»Grady hat sie mir gebracht«, wiederholte sie. Sein angespannter Gesichtsausdruck gefiel ihr überhaupt nicht.
»Grady Sheldon?« Sein ungezwungener, freundlicher Ton wurde von der Anspannung, die von seinem Körper ausging, Lügen gestraft.
Banner stand von ihrem Stuhl auf. »Ja, Grady Sheldon.«
In Jake flackerte Wut hoch. Er schleuderte seinen Hut auf den Ständer neben der Tür. Glücklicherweise blieb er beim ersten Versuch an einem der Haken hängen. Jake stellte sich Banner gegenüber, die Fäuste in die Hüften gestemmt. »Und du hast ihn hereingelassen?«
Seine Haltung, sein Gesichtsausdruck verrieten ihr deutlich, dass er sie für unglaublich dumm hielt. Das hob Banners Stimmung nicht gerade. »Warum nicht?« Weil sie nichts Besseres zu tun hatte, ging sie zur Spüle und begann, Wasser hineinzupumpen.
»Warum nicht?« Jakes Gebrüll ließ die Fensterscheiben vibrieren.
»Ja, warum nicht? Ich war einmal mit ihm verlobt, erinnerst du dich?«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte er und kam auf die Spüle zu. Er zog den verbliebenen Handschuh aus und warf ihn auf den Tisch neben den anderen. »Ich erinnere mich auch daran, dass man ihm am Tag deiner Hochzeit ein Loch in die Schulter geschossen hat, weil er irgend so einer weißen Hure ein Kind gemacht hat.«
Sie wirbelte zu ihm herum. »Du hast manchmal eine seltsame Art, Dinge auszudrücken«, meinte sie sarkastisch.
»Was hast du dir dabei gedacht, ihn hereinkommen zu lassen?«
Erst jetzt, als Jake sie darauf hinwies, wurde ihr klar, wie tollkühn sie gewesen war. Lee hatte ihr später erzählt, dass Ross in der Kirche gedroht hatte, Grady umzubringen. Ein Mann, der so stolz war wie Grady, hatte das sicher nicht auf die leichte Schulter genommen. Was, wenn er hergekommen wäre, um sich zu rächen, statt Vergebung zu suchen? Aber das hatte er nicht. Selbst wenn sie jetzt nachträglich Zweifel bekam, ob es so klug gewesen war, Grady hereinzulassen, hätte sie das Jake gegenüber nie zugegeben. Sie stand ihm kühl und distanziert gegenüber. »Was geschehen ist, tut ihm leid. Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten.«
Jake starrte sie stumm und ungläubig an. Schließlich schüttelte er den Kopf und lachte freudlos. »Ich hoffe, du ziehst es nicht in Erwägung.«
»Vielleicht doch.«
Jake kniff die Augen gefährlich zusammen. Er traute Sheldon nicht über den Weg. Für Jakes Geschmack roch das Feuer, das Wanda und ihren Vater getötet hatte, zu stark nach Zufall. Wie es ausgebrochen war, blieb immer noch ungeklärt. Jake hatte diesen Hurensohn vom ersten Augenblick an, als er ihn in der Kirche sah, gehasst. Sofort hatte Jake erkannt, dass Sheldon für Banner nicht Manns genug war. Verschlagene, kriecherische, ehrgeizige Bastarde wie Sheldon hatte er schon immer verachtet.
»Hat dieser lächerliche Zwerg dich bedroht?«
»Nein!«
»Was hat er denn gesagt?«
»Das ist meine Angelegenheit.«
»Jetzt werden Sie nicht frech, Miss Coleman! Ross würde Sheldon auf der Stelle umbringen, wenn er wüsste, dass er in deine Nähe gekommen ist.«
»Ich nehme an, du reitest mit fliegenden Fahnen nach River Bend und erstattest ihm Bericht.«
Abscheu sprach aus jedem wettergegerbten Zug seines Gesichtes. »Ich bin doch kein Klatschweib, und du bist kein Kind mehr.«
»Stimmt. Das bin ich nicht. Und es steht mir frei, Blumen von jedem Mann meiner Wahl anzunehmen. Du bist der Vormann auf Plum Creek. Ich vertraue auf dein Urteil in geschäftlichen Entscheidungen, aber bis ich dich um Rat für mein Privatleben bitte, behalte ihn freundlicherweise für dich.«
Er wusste nicht, ob er sie erwürgen oder wieder küssen sollte. Aber für beides war er zu wütend. Er schnappte sich seine Handschuhe, riss den Hut vom Haken und knallte die Tür hinter sich zu. Seine Sporen klirrten laut, als seine Absätze auf den festgetretenen Boden schlugen. Im Takt dazu fluchte er.
Elendige, verzogene Göre. Wusste einfach nicht, was gut für sie war. Sie würde das Glück nicht erkennen, und wenn es auf sie zukäme und sie in den Hintern träte. Sie
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