Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
ihre Augen lächelten nicht mit.
Dub unterdrückte seine Verärgerung gerade noch rechtzeitig, um reuig zu fragen: »Bist du böse auf mich?«
Sie drehte sich zu ihm um. Ihr Haar hing offen auf ihre Schultern. Sie trug einen blauen Satinmorgenmantel. Die langen, weiten Ärmel fielen in Kaskaden perlgrauer Spitze über ihre Handgelenke. Der Satin schmiegte sich an die üppigen Formen darunter. Ein glatter Schenkel lugte vorne zwischen den Falten des Morgenmantels hervor.
»Nicht böse, Dub. Enttäuscht. Als du letztes Mal hier warst, hast du versprochen, mir diese religiösen Fanatiker vom Leib zu halten.«
»Ich habe es nicht versprochen.«
»So gut wie versprochen. Ich dachte, du könntest die öffentliche Meinung beeinflussen.«
»Gegen einen wachsenden Mob kann ein einzelner Mann nicht sehr viel tun.«
»Der Mob ist wie eine Schafherde. Sie gehen dorthin, wohin sie geführt werden. Erwärm sie für eine andere Sache. Lenk ihre Aufmerksamkeit von Hell’s Half Acre ab.«
»Und wie, schlägst du vor, soll ich das tun?«
»Das ist mir doch egal.« Sie tigerte jetzt auf und ab und warf wütend ihren Kopf hin und her. »Ich habe dich noch nie um einen Gefallen gebeten, Dub. Ich tue es auch jetzt nicht. Alles, was ich möchte, ist, meinen Geschäften wie jeder andere Bürger nachgehen zu können. Was unterscheidet mich denn vom Metzger, Bäcker oder Kerzenzieher? Niemand schlägt ihretwegen Krach.« Sie deutete mit dem Finger auf ihn. »Und ich verwette meine Einnahme von nächster Woche, dass sie bei ihren Geschäften nicht so ehrlich sind wie ich.«
Erschöpft sank Dub auf die Chaiselongue und rieb mit Daumen und Zeigefinger seine Augenhöhlen. Das hatte ihm heute gerade noch gefehlt. Er war den Belastungen in der Bank entflohen, um mit Priscilla ausgelassen durch das Bett zu toben und ein paar Gläser ihres Tennessee Whiskys zu trinken, das war alles. Kein Streit. Keine Szene. Das hätte er auch in den Räumen des Bankvorstands haben können.
Er senkte die Hand und schaute zu ihr auf. Sie war außer sich. Wut strahlte in Wellen von ihr ab. Ihre Augen glitzerten hart und kalt. Die wenig vorteilhaften Falten um ihren Mund waren ihm noch nie zuvor aufgefallen. Wann waren sie dorthin gekommen?
»Du bietest wohl kaum dieselben Dienste wie ein Bäcker an, Priscilla«, meinte er trocken. »Wie soll ich denn deiner Meinung nach die Hunde zurückrufen, wenn die Stadt ständig in Aufruhr ist? Am vergangenen Wochenende ist eines deiner eigenen Mädchen ermordet worden.«
Priscilla setzte sich auf den Polsterschemel vor ihrer Frisierkommode. Sie griff nach der Puderquaste und puderte die Innenseite ihrer Hand und die Innenfläche des Arms. »Das ist ein Risiko bei diesem Geschäft, und jedes Mädchen, das einen zahlenden Kunden mit in sein Schlafzimmer nimmt, weiß das. Vielleicht hatte sie das Pech, an einen Farmer zu geraten, dessen Frau dieses Leben aufregender findet, als Kühe zu melken und Eier einzusammeln, oder an einen eifersüchtigen Liebhaber oder an einen Wohltäter, der mit einer Hure ins Bett geht und es dann als seine Pflicht vor Gott betrachtet, sie zu bestrafen, weil sie ihn vom rechten Wege abgeführt hat.« Vielsagend zuckte sie mit den Achseln. »Es passiert ständig. ›Ein weiteres gefallenes Mädchen erschlagen.‹« Sie zitierte die vertraute Schlagzeile.
»Vergangene Woche gab es eine Schießerei auf der Straße. Drei Cowboys haben nach einem Pokerspiel herumgeballert. Zwei von ihnen sind tot.«
»Das ist nicht bei mir passiert.«
»Dennoch, anständige Leute …«
»Anständige Leute!«, schrie sie. Sie stand von ihrem Hocker auf und begann, wieder hin und her zu tigern. »Ich habe anständige Leute bis hierhin satt! Was macht sie denn anständig? Sie versuchen, mein Geschäft zu ruinieren. Ist das anständig? Erzählt dieser Prediger ihnen, dass das anständig ist?« Sie wirbelte zu Dub herum. »Unternimm etwas gegen ihn.«
»Ich kann nicht. Er hat eine Gefolgschaft, die ständig wächst. Ich habe dich gewarnt, Priscilla. Er übt Druck auf den Sheriff aus. Früher oder später wird der Sheriff aufwachen und der Sache Bedeutung schenken. Dieser Prediger hat Wähler auf seiner Seite, viele Wähler, und es ist ein Wahljahr. Wenn es nötig ist, Hell’s Half Acre zu schließen und die Geschäfte in diesem Teil der Stadt mit Brettern zu vernageln, um im nächsten Herbst zu gewinnen, wird er es tun. Der Sheriff ist ehrgeizig.«
»Er ist ein Betrüger. Fast jeden Abend ist er hier, zusammen
Weitere Kostenlose Bücher