Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
zum gleichen Urteil über etwas gelangt waren.
»Was dagegen, wenn ich auch etwas trinke?«, fragte Banner ärgerlich. Eine volle Minute hatte sie am Brunnen gestanden, und niemand hatte sie beachtet. Norma reichte Banner mit einem bemerkenswerten Mangel an Anmut eine Tasse Wasser.
»Zu wem gehört er?« Normas Blick glitt zu Jake, der darauf achtete, dass die Pferde nicht zu viel tranken.
»Mir.«
Als Banner diese knappe Antwort gab, schauten Lee und Micah sie scharf an. Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie Norma an.
»Er ist mein Bruder«, sagte Micah unbehaglich.
»Oh.« Norma schaute Banner auf eine selbstgefällige Weise an, die sie rasend machte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie unordentlich sie aussah, während auf Normas Kopf jedes weiche braune Härchen akkurat zu einer Krone geflochten war. Norma roch nach hausgebackenem Brot. Banner wusste, dass sie selbst nach salzigem Schweiß und Pferden roch.
»Ist dein Mann nicht schrecklich alt ?«, fragte Banner.
Normas Wangen glühten. »Er ist mein Pa.«
»Oh.« Sie wiederholte Normas Antwort aus schierer Boshaftigkeit. »Kann ich bitte noch etwas zu trinken haben?«
»Aber natürlich.«
Nachdem Norma die Tasse nochmals gefüllt hatte, stolzierte Banner mit ihr davon und trug sie zu Jake. Als sie ihm näher kam, lächelte sie ihn betörend an. »Hier, Jake. Ich dachte, du möchtest auch gerne etwas kaltes Wasser.« Banner hoffte, dass Norma zu ihnen hinsah.
Jake beäugte sie misstrauisch, nahm aber die Tasse aus ihrer Hand. »Danke.«
»Bitte.« Sie lächelte ihn strahlend an. Schließlich wusste Norma ja nicht, was sie gesagt hatten.
Doch offensichtlich schien Banner nicht Normas ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. Denn in diesem Moment ertönte vom Brunnen her ein Kichern. In die Augen des Farmers trat ein hartes Glitzern, als er sah, wie seine Tochter von den zwei jungen Männern unterhalten wurde. »Was ist da drüben los, Norma?«, rief er.
»Nichts, Pa.«
»Zeit zu gehen«, sagte Jake rasch.
Der Zorn eines Farmers, der die Jugend seiner Tochter in Gefahr sah, war mit nichts auf der Welt zu vergleichen. Von Südtexas bis Colorado waren Cowboys, besonders die Cowboys aus Texas, die Geißel jedes Vaters und jeder Mutter einer heiratsfähigen Tochter. Um jeden Preis musste man sie vor einem Cowboy beschützen. Darüber gab es sogar ein Lied. Jake erinnerte sich noch an den Text: »Heirate nie einen Jungen aus Texas.«
Er stürzte das restliche Wasser hinunter und reichte Banner den Becher. »Bring ihn der jungen Dame zurück, und steig wieder auf. Micah, Lee wir gehen. Sofort .«
Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. Die beiden jungen Männer zogen ihren Hut vor Norma, gerade als Banner ihr die Tasse wieder in die Hand schob. Banner lächelte sie boshaft an, als wollte sie sagen: »Ich reite jetzt mit ihnen weg, aber du musst hier mit deinem alten Pa weiter ein trübseliges Leben führen.«
Jake dankte dem Farmer, bevor er sich in den Sattel schwang. Er ließ die anderen vor sich herreiten. Erst als sie ein Stück unterwegs waren, atmete Jake auf. Auf dieser Reise wollte er keinen Ärger riskieren, besonders da Banner dabei war. Vergangene Nacht hätte er sie am liebsten umgebracht. Nicht weil er nicht froh gewesen wäre, sie zu sehen. Bevor seine Wut ihn übermannte, hatte sein Herz ihn verraten und vor Freude geklopft, als er sie im Lichtschein des Feuers sah.
Aber als er daran dachte, wie impulsiv sie war, lief es ihm eiskalt über den Rücken. Unterwegs lauerten tausend Gefahren, und sie war ihnen allen als junge Frau ausgesetzt. Jake hatte vor, Städte auf dem Weg zu meiden. Sie würde die jungen Kerle anziehen wie ein Blitzableiter den Blitz.
Banner war starrköpfig. Sie handelte aus der Eingebung des Augenblicks heraus und dachte erst später an die Konsequenzen. Ein Wunder, dass sie nicht schon früher Probleme bekommen hatte! Aber er war sich verdammt sicher, dass er keine Probleme auf dieser Reise wollte.
Er schaute sie an, wie sie vor ihm herritt. Sein Blick glitt auf ihr Hinterteil. Er wusste, es musste sie schier umbringen vor Schmerz, aber sie hatte mit keiner Silbe geklagt. Halsstarrige kleine Kröte! Unwillkürlich lächelte er, als er sah, wie ihre Hüften auf dem Sattel auf und ab hopsten. Sie hatte den süßesten …
Augenblicklich schob er diesen Gedanken beiseite. Was zum Teufel tat er? Er gab Stormy die Sporen und rief: »Sobald wir einen Bach mit frischem Wasser finden, schlagen wir unser Lager auf.« Von
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