Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Drahtzaun gehalten. Eine Sau grunzte in ihrem Koben. In einem gut angelegten Garten gediehen Mais, Stangenbohnen, Zwiebeln, Rüben, Kürbisse und Kartoffeln. Nahe beim Haus ließen schwere grüne Tomaten die Stiele ihrer staubigen Pflanzen zu Boden sinken.
Als der Farmer sie sah, legte er die Axt beiseite, nahm ein Taschentuch aus der Gesäßtasche seines Overalls und wischte sich übers Gesicht. Er nahm den Hut ab, fuhr sich über seine kahl werdende Stirn und setzte den Hut wieder auf.
All diese Bewegungen wurden langsam und vorgeblich entspannt und lässig ausgeführt. Jake hatte jedoch rasch das gegen die Scheunenwand gelehnte Gewehr bemerkt, das keinen Meter von der Hand des Farmers entfernt war. Jake machte ihm daraus keinen Vorwurf. Es war die Pflicht eines Mannes, sein Heim und seine Familie zu beschützen. Man konnte es in diesen Zeiten mit den herumstreifenden, arbeitslosen Cowboys, Banden von Zugräubern und endlosen Arbeitskämpfen nicht darauf ankommen lassen. Jake versuchte den Farmer zu beruhigen, indem er ihn ansprach.
»Hallo.«
»Tag«, sagte der Farmer. Er ging nicht auf sie zu, ließ sie aber näher an sich herankommen, bis sie nur wenige Schritte vor ihm die Zügel zogen.
»Könnten Sie uns etwas Wasser zu trinken geben?«, fragte Jake mit freundlicher Höflichkeit.
Der Farmer musterte sie sorgfältig. Jake ließ seine Hände auf dem Sattelknopf ruhen, da der Blick des Mannes seinen Pistolengurt und das Gewehrfutteral registriert hatte. Micah und Lee machten es Jake nach und rührten sich nicht. Als der Farmer Banner genauer ansah, weiteten sich seine Augen leicht, dann glitt sein Blick zurück zu Jake.
»Wo kommt ihr her?«
»Aus Larsen County.« Vor langer Zeit hatte Jake gelernt, nicht mehr Informationen als nötig zu geben. Die meisten Männer unterwegs waren aus dem einen oder anderen Grund verschwiegen. Das war die beste Politik. Je weniger einer über den anderen wusste, desto besser. »Wir sind auf dem Weg nach Fort Worth, um Vieh zu kaufen. Die Eisenbahner streiken, und die Züge fahren nicht.«
Der Farmer nickte befriedigt. Von dem Streik hatte er gehört, als am Morgen einer der Nachbarn vorbeigeritten war. »Bedient euch.« Er deutete auf die Wassertränke für die Pferde und den Brunnen am Haus.
Sie stiegen ab. Banner vermied es sorgfältig, eine Grimasse zu ziehen, als sie mit ihrem muskelkatergeplagten Körper absteigen musste. Während Jake Stormy zur Tränke führte, rieb sie sich über ihr schmerzendes Hinterteil.
»Wie geht es denn, Banner?«, fragte Lee. »Er hetzt uns ja …«
Plötzlich brach er mitten im Satz ab, seine Augen quollen hervor. Banner warf einen Blick über die Schulter und sah eine junge Frau, etwa in ihrem Alter, aus dem Haus kommen. Lees Kopf fuhr zu Micah herum, er räusperte sich laut, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen, und deutete dann mit unnatürlichem Augenrollen auf das Mädchen.
»Hallo«, sagte sie schüchtern, als sie sich auf sie zuwagte. »Ich heiße Norma. Möchtet ihr einen Schluck Quellwasser?«
Lee und Micah stolperten vorwärts. »Das schmeckt bestimmt mächtig gut, Norma«, sagte Micah mit einem gewinnenden Lächeln.
»Du musst Gedanken lesen können, Norma«, sagte Lee.
Banner starrte die jungen Männer mit unverhohlener Wut an und fragte sich, ob Lee wusste, wie dämlich sein Gesichtsausdruck wirkte. Also, Norma hatte riesige braune Augen, eine Stimme so süß wie Honig und einen wohlgeformten Busen unter ihrem Baumwollkleid. Na und? War das ein Grund, so zu gaffen?
Das Mädchen warf Banner einen flüchtigen Blick zu und schrieb sie ab. Sie führte Lee und Micah zum Brunnen. Jake redete mit dem Farmer, der Stormy bewunderte, über Pferde. Einen Fuß auf die Tränke gestellt, den Hut auf den Hinterkopf zurückgeschoben, stand Jake leicht nach vorn gebeugt, den Unterarm auf den erhobenen Schenkel gestützt da.
Als Banner sich dem Brunnen zuwandte und bemerkte, wie Norma Jake forschend anschaute, warf sie ihr einen einschüchternden Blick zu.
»Wessen Frau ist sie?«, fragte Norma die jungen Männer, die die Schöpfkellen genauso gierig leerten, wie sie Norma anstarrten.
»Niemandes«, antwortete Micah mit schallendem Gelächter.
»Sie ist meine Schwester.« Lee schaute aber nicht auf Banner, sondern auf Normas eindrucksvollen Busen, als sie sich vorbeugte, um den Eimer wieder in den Brunnen zu senken. Micahs und Lees Blick trafen sich über den Brunnen hinweg, und sie nickten einander zu, zwei männliche Wesen, die
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