Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Sein schmaler Knochenbau wurde dadurch hervorgehoben, die klingengleiche Schärfe seiner Wangenknochen, die Widerspenstigkeit seines Kiefers. Die Schatten höhlten seine Wangen aus und betonten sie noch stärker. Er lächelte entspannt und redete mit ihr über seinen Bruder, den er sehr geliebt hatte.
Wäre es ihr nicht so schlecht gegangen, wäre dies ein Augenblick in ihrem Leben gewesen, den sie gehütet hätte wie einen Schatz. Sie waren eingehüllt wie in einen sanft glühenden warmen Kokon, während um sie herum der Regen niederprasselte, der sie von der übrigen Welt trennte. Verdammt! Ihr war zu übel, um das zu genießen. Das machte sie wütend auf diese namenlose Übelkeit, und sie schwor, sie mit ihrem Willen zu bezwingen.
Sie trank schlückchenweise von ihrem mit Whisky versetzten Tee und hoffte, dass er die Übelkeit und die Krämpfe in Bauch und Unterleib wegbrennen würde.
Jake legte einen weiteren Holzscheit auf das Feuer. Er hatte nur die Hälfte der Knöpfe seines Hemdes zugeknöpft, die Hemdschöße nicht in die Hose gestopft und trug nur Socken. Er sah aus, als sei ihm wohl und behaglich zumute, und machte keine Anstalten, sie sich selbst zu überlassen und ins Bett zu gehen.
»Fühlst du dich jetzt besser?« Er streckte sich vor dem Feuer auf der Seite aus und stützte sich auf seinen Ellenbogen. Sein Hemd fiel zur Seite und eröffnete ihr einen Blick auf seinen Hals und seine Brust, der ihr das Herz stillstehen ließ.
»Ja, mir geht es gut«, log Banner. Sie wollte sich neben ihm ausstrecken, Brust an Brust, Bauch an Bauch, Hüfte an Hüfte. Es müsste himmlisch sein, so mit ihm dazuliegen. Ihre Münder würden sich häufig berühren, bis die Leidenschaft sie überwältigte, er sie auf den Rücken rollte und sich auf sie legte.
Eine Hitzewelle, die nichts mit ihrem Fieber zu tun hatte, durchwogte sie. Wenn sie nun den unverschämten Versuch unternahm und sich neben ihn legte, würde er sie dann dieses Mal zurückweisen?
Aber ehe sie darüber nachdenken konnte, kam ihr glühend heiße Galle hoch. Mit zitternden Fingern stellte sie ihre Tasse auf der steinernen Kaminplatte ab. Das Letzte, was sie wollte, war, sich vor Jake zu erbrechen. Das wäre zu erniedrigend.
»Ich bin schon sehr schläfrig, und der Whisky hat mich noch müder gemacht. Ich glaube, ich gehe jetzt zu Bett, Jake.«
Er richtete sich auf. Sein Gesichtsausdruck war halb verblüfft und halb verletzt. »Sicher, Banner. Gute Nacht.«
Irgendwie schaffte sie es, auf die Beine zu kommen und an die Tür des Schlafzimmers zu gelangen, ohne zu verraten, wie schwach und schwindelig sie war. An der Tür wandte sie sich zu ihm um. Er goss sich eine neue Portion Whisky in seine Tasse, diesmal ohne Tee. An der Art, wie er die Kiefer zusammenpresste, erkannte sie, dass er wütend oder enttäuscht war oder beides – aber nicht mehr als sie auch.
»Danke, Jake, für alles.«
Er hob den Blick zu ihr, nickte brüsk, sagte aber nichts. Mit einem Schluck trank er seinen Whisky aus und griff wieder nach der Flasche. Seufzend vor Bedauern ging Banner in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Der Raum war feucht, das Laken klamm, aber sie krabbelte ins Bett hinein und kauerte sich unter der Decke zusammen, bis sie sich langsam erwärmte und ihre Zähne aufhörten zu klappern. Aber ihre Beine konnte sie nicht ausstrecken. Sie hielt den Unterleib schützend zwischen Knien und Brust. Ihr benebeltes Gehirn entschied, dass sie Fieber haben müsse. Vielleicht hatte sie ja eine Grippe. Wieder hatte sie das Gefühl, sich erbrechen zu müssen, zwang es aber nieder.
Sie fiel in einen unruhigen Halbschlaf, aus dem sie ständig wieder erwachte. Selbst im Schlaf hatte sie ein unbehagliches Gefühl, und sie spürte häufig Krämpfe im Unterleib. Jedes Mal, wenn sie aus einem schlimmen Traum erwachte und entdeckte, dass der Schmerz echt war, stöhnte sie in ihr Kissen und betete, davon erlöst zu werden.
Es regnete weiter. Die langen Stunden der Nacht gingen über in die frühen Morgenstunden und dann in eine bleiche, geisterhafte Vordämmerung, als draußen alles in ein helles Grau getaucht wurde.
Im Schlaf umklammerte Banner plötzlich ihren Leib und stieß einen lauten Schrei aus. Sie wurde wach und wusste, dass sie diese Krankheit nicht einfach wegschlafen konnte. Keuchend vor Anstrengung richtete sie sich auf und ließ den Kopf über den Rand des Bettes hängen. Ihr Körper war schweißgebadet, aber sie zitterte vor Kälte. Ihre Ohren
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