Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
…«
»Kennen Sie die Colemans?«
Die Lippen des Arztes zitterten einen Moment, ohne dass er einen Ton herausbrachte. »Ross Coleman? Ja, natürlich.«
»Es geht um seine Tochter Banner. Also, wenn Sie nicht nur meiner Waffe, sondern auch der ihres Vaters ins Auge sehen wollen, falls Banner etwas zustößt, dann sollten Sie Ihre kleine schwarze Tasche oder was zum Teufel Sie sonst brauchen nehmen und mit mir mitkommen.« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, zog Jake seine Pistole. »Und zwar sofort!«
Mrs Hewitt war in den Flur gekommen, als sie das Geschrei gehört hatte. Dr. Hewitt beruhigte sie mit einer Gelassenheit, die er gar nicht verspürte, ließ die Serviette fallen und begann, Hut und Mantel anzuziehen. »Dieser, ähm, Gentleman ist ein Freund der Colemans. Er ist sehr erregt. Allerdings habe ich vor, sein rüdes Verhalten bei nächster Gelegenheit mit Mr Coleman zu diskutieren.«
Er starrte Jake an, dem es völlig gleichgültig war, was sie von seinen Manieren hielten. Die ganze Zeit hatte er Banners tödlich blasses Gesicht vor Augen und ihr Flehen, sie nicht allein sterben zu lassen, im Ohr.
»Haben Sie ein Pferd?«
»Einen Einspänner. Hinten in der Scheune.«
»Gehen wir.«
Jake steckte seine Pistole ins Halfter zurück und trat, nachdem der Arzt vorgegangen war, in den strömenden Regen hinaus. Er folgte ihm in die Scheune, half ihm, das Pferd anzuschirren, und führte den Einspänner dann durch die Straßen der Stadt. Die Vorsicht des Doktors angesichts der schlammigen Straßen war verständlich, aber Jakes Innerstes schrie vor Ungeduld. Jede Minute, die verrann, war eine weitere Minute der Qual für Banner.
Jahrhunderte schienen vergangen zu sein, bevor er Stormy in die schützende Scheune führte und eilends den widerstrebenden Arzt ins Haus zerrte.
Es war still. Zu still. Jake stürmte voller Angst, was er dort vorfinden würde, ins Schlafzimmer. Banner lag bewusstlos unter ihrer Decke, aber er sah ganz deutlich, wie ihre Brust sich hob und senkte, und schluchzte beinahe vor Erleichterung. Er schob den Arzt vorwärts.
Mit einer Langsamkeit, die Jake fast in den Wahnsinn trieb, zog Dr. Hewitt seinen Mantel aus und legte ihn sorgfältig über einen Stuhl. Er balancierte eine Brille auf seiner Nase und begann, die Decke zurückzuziehen. Als Jake sich näher vorbeugte, schaute der Arzt missbilligend über die Schulter.
»Ich kann die junge Lady nicht untersuchen, solange Sie im Zimmer sind.«
Wenn Jake den Arzt nicht gebraucht hätte, hätte er ihm seinen frommen Gesichtsausdruck mit der Faust aus dem Gesicht geschlagen. So warf er dem Doktor nur einen vielsagenden Blick zu und ging hinaus.
Er tigerte auf und ab, betete und fluchte gleichzeitig bei jedem Schritt. Aus Mangel an Beschäftigung machte er im Küchenherd ein Feuer. Vielleicht wollte sie Tee trinken, vielleicht … vielleicht … vielleicht …
Die Möglichkeiten zogen vor seinem inneren Auge vorbei, jede grässlicher als die vorige.
Schließlich kam der Doktor aus dem Zimmer und putzte seine Brille mit einem großen weißen Taschentuch. Er schüttelte traurig den Kopf und starrte auf seine Schuhe.
»Was ist es? Was fehlt ihr?«, verlangte Jake ungeduldig zu wissen, als der Arzt sich ausschließlich auf seine Brille zu konzentrieren schien.
»Appendizitis. Blinddarmentzündung.«
Jake stieß einen tiefen Seufzer aus und blickte zur Decke. »Ihr Blinddarm, das habe ich mir gedacht.«
»Es tut mir leid, junger Mann«, sagte der Arzt und legte mitfühlend die Hand auf Jakes Ärmel, »für Sie, für Banner und für ihre Familie. Aber es gibt einfach nichts, das ich tun kann, außer es ihr etwas angenehmer zu machen, bis … bis es vorüber ist.«
19
Ohne mit der Wimper zu zucken, starrte Jake den Mann an. »Was wollen Sie damit sagen: Es gibt nichts, was Sie tun können?«
»Genau, was ich sagte. Ich werde es ihr natürlich so angenehm wie möglich machen, aber …«
»Was faseln Sie da eigentlich?«
»Ich versuche, Ihnen zu erklä…«
»Sie werden ihn herausschneiden, Sie Narr!«
»Hören Sie mir einmal gut zu, junger Mann. Ich werde es nicht dulden, dass Sie in diesem Ton mit mir sprechen!« Selbst wenn er sich verärgert zu voller Höhe aufrichtete, war der Doktor im Verhältnis zu Jake ein Zwerg. »Ich glaube nicht, dass Sie die Komplikationen, die so eine Operation mit sich bringt, einschätzen können.«
»Erklären Sie sie mir.«
»Das hat keinen Zweck. Ich werde diese Operation nicht durchführen«,
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