Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Regen sah aus wie ein Vorhang, der das Haus von der Scheune trennte. So schlecht, wie Banner sich fühlte, wollte sie, dass er sie in seinen Armen hielt, ihr übers Haar streichelte, murmelte, dass es ihr bald wieder besser gehen würde, so wie ihre Eltern es getan hatten, wenn sie als Kind krank gewesen war. Aber das konnte sie nicht von ihm verlangen. Er würde denken, das sei nur eine weibliche List oder sie benähme sich wie ein kleines Kind, das vor Regen und Sturm Angst hat.
»Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«, fragte er.
»Ich werde mir eine Tasse Tee kochen und sie mit ins Bett nehmen.«
»Gute Idee. Was du brauchst, ist eine ganze Nacht tief und fest zu schlafen.« Er streichelte ihre Wange mit der Fingerspitze. »Es war ein schlimmer Tag.«
Ihre körperlichen Beschwerden waren mittlerweile viel schlimmer als ihre seelischen Kümmernisse. Sie nickte. »Ja. Du hast recht. Ich brauche etwas Schlaf.«
»Ich bin nicht weit weg, wenn du mich brauchst.«
Er hauchte einen zarten Kuss auf ihre Wange. Als er hinausging, drang ein Schwall feuchter Luft ins Haus. Regentropfen fielen auf die Türschwelle. Lange nachdem er die Tür geschlossen hatte, starrte Banner ausdruckslos darauf. Ihr Magen drehte sich in einem Krampf um, und ihr wurde bewusst, dass sie etliche Augenblicke regungslos dagestanden hatte.
Sie zwang sich vorwärtszugehen, trug die Lampe in die Küche und füllte den Kessel mit Wasser. Ihr fehlte die Kraft, im Herd ein Feuer zu entzünden, daher brachte sie den Kessel zum Kamin und stellte ihn so nahe wie möglich an die Flammen.
Von Minute zu Minute fühlte sie sich schlechter. In regelmäßigen Abständen hatte sie Magenkrämpfe. Sie spürte den Drang, sich zu übergeben, hielt sich aber mit eiserner Gewalt zurück. Abwechselnd zitterte sie in ihrem Morgenmantel und schwitzte dann wieder so stark, dass sie in einem hektischen Versuch, ihn auszuziehen, an ihm zerrte.
Der Wasserkessel begann gerade zu kochen, als Jake an die Tür klopfte. »Banner?« Er öffnete die Tür und stieß sie dann hinter sich zu. Von dem niedrigen Hocker aus, auf dem Banner vor dem Kamin saß, starrte sie ihn an.
»Es gibt etwas, das ich bis heute Nacht über die Scheune nicht wusste.«
»Was?«, fragte sie heiser.
»Das Dach leckt.« Ein Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Grinsen. »Stormy und ich haben uns um die einzige trockene Box geschlagen. Er hat gewonnen. Macht es dir etwas aus, wenn ich hier schlafe?«, fragte er und deutete mit dem Kopf auf das Sofa.
»Es wird mir besser gehen, wenn du hier drinnen bei mir bist.« Noch als sie die Worte sprach, hoffte sie von ganzem Herzen, dass sie wahr würden. Ganz gewiss konnte sie sich nicht schlechter fühlen.
»Hast du schon Tee getrunken?« Er ließ sein Bettzeug und trockene Kleidung neben das Sofa auf den Boden fallen.
»Ich war gerade dabei. Das Wasser kocht.«
Aus dem Bettzeug zog er eine Flasche Whisky hervor. »Davon tue ich dir ein bisschen hinein. Das wird dich aufwärmen. Du bleibst, wo du bist. Ich gehe in die Küche und ziehe mich um, während ich deinen Tee mache.«
Er nahm den dampfenden Kessel und Kleidung zum Wechseln mit in die Küche. Banner griff nach ihrem Bauch und krümmte sich, sobald Jake außer Sichtweite war. Sie hatte früher schon Bauchschmerzen gehabt, aber noch nie so schlimme.
Gott sei Dank war der schlimmste Schmerz vorüber, als Jake in trockener Kleidung zurückkam und zwei Tassen duftenden Tees vor sich hertrug. Dampf stieg von ihnen auf. Er reichte ihr eine Tasse und setzte sich dann im Schneidersitz auf den Boden. Seine Tasse stellte er sich zwischen die Schenkel und griff nach der Whiskyflasche. Er zog den Korken heraus und hielt die Flasche über Banners Tasse.
»Das ist nur für medizinische Zwecke, weißt du.«
Sie schaute ihn finster an, als er eine kleine Portion in ihre Tasse goss. »Ma hat mir mein ganzes Leben lang Whisky verabreicht. Jedes Mal, wenn ich Husten hatte.«
Er lachte, während er sich selbst Whisky eingoss. »In uns hat sie ihn auch immer hineingekippt. Getreidebrand aus den Hügeln Tennessees.« Er schüttelte sich und verzog das Gesicht. »Einmal, als Luke Krupp hatte, mochte er ihn so sehr, dass er anfing, darum zu bitten. Da wusste Ma, dass er wieder gesund wird.« Er lächelte und schüttelte den Kopf bei dieser liebevollen Erinnerung.
Banners Welt schrumpfte zusammen und bestand nur noch aus ihm. Der Feuerschein vergoldete sein Haar und warf Schatten auf sein Gesicht.
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