Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
ihm einen Blick zu.
»Danke.«
Jake nickte knapp. Worte waren unnötig.
River Bend war für den Hochzeitsempfang , der nie stattfinden sollte, geschmückt. Der Weg, der von der Straße am Fluss zum Haupthaus führte, bildete die erste Beleidigung für Banners Empfindungen. Jeder weiß gekalkte Zaunpfahl war mit Bändern und Blumen geschmückt.
Ihr Elend wurde noch größer, als sie das Haus sah. Das Geländer der Veranda an der Vorderseite war umschlungen mit Girlanden aus blühendem Geißblatt. Topfpflanzen waren mit gelben Forsythienzweigen geschmückt. Im Hof waren lange Tische aufgestellt für das Essen und die Getränke, die in tagelanger Arbeit vorbereitet waren für Gäste, die nie kommen würden. Es war, als betrachtete man ein Kinderzimmer, das liebevoll vorbereitet worden war für ein Baby, das tot zur Welt kam.
Ross sprang aus dem Einspänner und half Lydia herunter. Jake war abgestiegen und streckte Banner eine Hand entgegen. Sie saß wie erstarrt da, vor Entsetzen so benommen, dass sie Jake nicht einmal bemerkte, bis er sie am Arm berührte und leise ihren Namen rief. Sie blickte hinunter und sah den mitfühlenden Ausdruck in seinem Gesicht. Als sie seine Hand nahm, lächelte sie schwach. Die andere Hand legte sie auf seine Schulter und ließ sich von ihm auf den Boden heben.
Die Cowboys ritten zu ihren Unterkünften. Normalerweise waren sie ein vergnügter, rüpelhafter Haufen, aber jetzt waren sie auf ganz untypische Weise niedergeschlagen. Eines von Anabeths Kindern quengelte; es hatte Durst. Das Baby heulte an der Brust seines Vaters. Hector tätschelte es ein wenig zu grob. Schweigend und düster wie Sargträger marschierten sie ins Haus.
Wieder gerieten Banners Gefühle in Aufruhr. Lydia hatte den Salon mit Blumenkörben dekoriert. Hochzeitsgeschenke, die abgeliefert, aber noch nicht geöffnet worden waren, türmten sich auf einem der zahlreichen, mit Spitzendecken geschmückten Tische.
Banner erzitterte unter einem Schluchzer. Ross kam hinter ihr her und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Prinzessin, ich …«
»Bitte, Papa«, sagte sie rasch, weil sie nicht vor allen in Tränen ausbrechen wollte. »Ich muss allein sein.«
Sie raffte auf eine Weise ihre Röcke hoch, die alle an den Wildfang früherer Jahre erinnerte, und hastete die Treppe hinauf. Ein paar Sekunden später hörten sie, wie die Tür zu ihrem Zimmer zuknallte.
»Hurensohn«, zischte Ross hervor. Er riss sich das Jackett herunter und zerrte an seiner Krawatte. »Ich hätte diesen Bastard mit bloßen Händen umbringen sollen!«
Lydia ermahnte ihn nicht einmal wegen seiner Ausdrucksweise. »Ich kann das wirklich nicht von ihm glauben. Oh, Ross, dass Banner so das Herz gebrochen worden ist, ich …« Sie warf sich ihrem Mann in die Arme und begann zu weinen. Ross führte sie in den Salon.
Ma ging die Situation von der praktischen Seite an. »Anabeth, nimm die Kleinen mit in die Küche und schneid ihnen ein Stück von der Hochzeitstorte ab, die der Bäcker uns gestern geliefert hat. Hat ja keinen Sinn, sie verkommen zu lassen. Lee und Micah, ihr nehmt den Rest der Torte mit in die Unterkunft und sagt den Jungens, sie sollen sie verputzen.
Marynell, du kannst Gläser mit Punsch füllen. Ich glaube, jeder kann jetzt etwas vertragen. Hector, du schwitzt stärker, als ich es je bei einem Menschen gesehen habe. Zieh dir Jackett und Krawatte aus, bevor du schmilzt.«
Banners Hochzeit hatte den Langstons einen Grund für ein Wiedersehen geliefert. Die Familie war mit Ross und Lydia von Tennessee nach Texas gezogen. Zwischen den Colemans und den Langstons hatte sich eine Freundschaft entwickelt, die weder Zeit noch Entfernung beeinträchtigen konnte.
Ma Langston besetzte die Rolle einer Großmutter für Lee und Banner. Sie war eine beeindruckende Frau, hochgewachsen und kräftig, körperlich und geistig stark, aber sanft. Wenn sie schimpfte, dröhnte es einem in den Ohren, es war aber immer gut gemeint.
Zeke Langston war vor so langer Zeit gestorben, dass Banner sich nicht mehr an ihn erinnern konnte. Nach seinem Tod hatte Ma einige Jahre lang versucht, ihr Land in dem Hügelgebiet westlich von Austin zu bewirtschaften. Während dieser Zeit waren zwei ihrer Kinder, Atlanta und Samuel, bei einer Scharlachepidemie gestorben.
Zufälligerweise hatte Anabeth, die älteste der Langstontöchter, einen Landbesitzer und Rancher aus der Nachbarschaft, Hector Drummond, geheiratet. Er war ein Witwer mit zwei kleinen Mädchen. Jetzt
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