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Wie ein stummer Schrei

Wie ein stummer Schrei

Titel: Wie ein stummer Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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dem zu leiden, was sie ihm angetan hatte.
    Olivia wusste, sie war für das betretene Schweigen verantwortlich, das kein Ende nehmen wollte. Bevor sie einen Ansatz gefunden hatte, um mit ihm zu reden, waren sie bereits bei ihr zu Hause angekommen.
    “Danke, dass du mich gefahren hast”, sagte sie, nachdem er sie noch bis zur Haustür begleitet hatte. “Und danke für das Eis.”
    “Gern geschehen”, erwiderte er mit einem höflichen Lächeln, doch seine Augen zeigten keine Gefühlsregung.
    Sie wollte nicht, dass er jetzt ging, und überlegte krampfhaft nach einem Grund, der nicht bloß nach einem Vorwand aussah. “Ach, Trey … weißt du, wie lange es dauert, bis das Untersuchungsergebnis vorliegt?”
    “Eine Woche bestimmt, vielleicht auch etwas länger. Du bekommst eine Benachrichtigung, wenn es so weit ist.”
    In diesem Moment klingelte sein Mobiltelefon. Nach einem Blick auf das Display machte er einen Schritt nach hinten. “Ich muss rangehen.”
    “Ja, sicher”, erwiderte sie und schloss die Haustür auf. Sie hatte das Gefühl, etwas verkehrt gemacht zu haben. “Nochmals danke”, fügte sie an.
    Er blieb stehen und sah sie an, wobei sein Blick auf einmal eine Spur sanfter wirkte. “Livvie?”
    “Ja?”
    “Es war schön, dich wiederzusehen.”
    Unerwartet stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie alles nur noch verschwommen wahrnehmen ließen. “Und es war auch schön, dich wiederzusehen”, gab sie zurück.
    Dann nahm Trey den Anruf an, stieg in den Wagen und fuhr los.

6. KAPITEL
    M arcus schaffte es nicht, rechtzeitig zum Mittagessen zurück zu sein, also saß Olivia allein am Tisch, stocherte in ihrem Krabbensalat herum und überlegte, was vielleicht geschehen wäre, hätte sie mehr Zeit mit Trey verbracht. Als Marcus anrief und sie wissen ließ, er brauche noch eine Weile, da hätte sie einige Freundinnen zu sich einladen können, die immer für Klatsch und eine Margarita zu haben waren. Allerdings wusste sie, dass die an diesem Tag ohnehin nur über sie reden würden.
    Ihr fiel auch auf, dass keine ihrer so genannten Freundinnen sich bei ihr gemeldet hatte, seit in den Medien über die mögliche Verbindung zwischen ihrer Familie und der Kinderleiche berichtet wurde. Unwillkürlich musste sie darüber nachdenken, wie oberflächlich diese Freundschaften in Wahrheit waren. Und genauso wurde ihr bewusst, dass Treys bissige Bemerkung über ihr Verhältnis zu ihrem Großvater durchaus zutraf. Das Eingeständnis, ihr Leben ganz auf Marcus’ Wünsche abgestimmt zu haben, fiel ihr nicht leicht, doch entsprach es den Tatsachen. Was sie überraschte – und worüber sie nie zuvor nachgedacht hatte –, war die Erkenntnis, dass ihre Freundinnen gar keine Freundinnen waren, sondern lediglich langjährige Bekanntschaften. Es gab keine beste Freundin, mit der sie aufgewachsen war und mit der sie ihre Hoffnungen und Träume geteilt hatte. Auf den ersten Blick hatte ihr Leben perfekt gewirkt, doch als ihre Familie mit einem Mal in die Schlagzeilen geriet, war diese Illusion wie eine Seifenblase zerplatzt.
    Nachdenklich schob sie den Salatteller fort und wollte aufstehen, als Rose mit einer kleinen Schale Zitronensorbet hereinkam. Die Haushälterin zog erstaunt die Augenbrauen hoch, als ihr Blick auf den Teller fiel. “Ist der Salat nicht in Ordnung, meine Liebe?”
    Olivia seufzte. “Der Salat schmeckt köstlich, aber ich habe keinen richtigen Hunger.”
    Rose hielt ihr das Sorbet hin, um sie zu ködern. “Wie wäre es denn wenigstens hiermit? Es ist doch Ihr Lieblingsdessert.”
    “Eigentlich ist es Grampys Lieblingsdessert”, erwiderte sie und fügte rasch an, um Rose nicht zu enttäuschen: “Aber ich mag es auch sehr gern.”
    Die Haushälterin brachte den Salat weg und ließ das Sorbet stehen.
    Mit der Löffelspitze schob Olivia schließlich das Pfefferminzblatt zur Seite, musste jedoch bereits beim ersten Happen an das denken, was sie und Trey vor ein paar Stunden gegessen hatten. Als das Sorbet auf ihrer Zunge zerging, verzog sie den Mund. Der einseitige, säuerliche Geschmack war nicht mit der Kombination aus Eis und heißer Soße zu vergleichen, mit der sie von Trey verwöhnt worden war.
    Erst auf dem Weg in ihr Zimmer, wo sie sich umziehen wollte, wurde ihr bewusst, was eigentlich geschehen war. Sie hatte sich die Gelegenheit entgehen lassen, längere Zeit mit Trey zusammen zu sein, nur weil ihr Großvater gesagt hatte, er werde mit ihr zu Mittag essen. Die winzige Portion Sorbet wiederum

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