Wie ein Wolf in der Nacht
vertragen. Also hat sie aufgehört, es überhaupt zu versuchen. Sie ruft ab und zu an, und …“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Ich habe sie ein paar Mal angeschrieen. Ich weiß, das war keine Hilfe, aber was sollte ich denn tun? Sollte ich so tun, als ob es in Ordnung wäre, wenn sie sich so verantwortungslos benahm?
Es ist nun mal nicht in Ordnung, verdammt noch mal!
Und obwohl Sammy meistens okay ist, hat er wegen der ganzen Sache seine speziellen Probleme, die ..."
"Er hat mir von dem Bettnässen erzählt."
Cash sah Lexie fassungslos an. "Du machst Witze! Das hat er dir erzählt?" Da dieses Geheimnis keines mehr war, sah Cash keinen Grund mehr, ein anderes für sich zu behalten.
"Der Junge glaubt, etwas stimme nicht mit ihm. Das war schon immer so. Er ist überzeugt davon, dass seine Mom niemals abgehauen wäre, wenn sie ihn lieb gehabt hätte - also muss etwas an ihm nicht liebenswert sein."
"Oh Cash, das Gefühl kenne ich."
„Das kannst du nicht ..." Er unterbrach sich. "Ja, wahrscheinlich kennst du es wirklich, was?"
"Ich brauchte zwar nie daran zu zweifeln, ob ich geliebt wurde, so wie Sammy es tut. Aber ich glaube, es geschieht etwas ganz Bestimmtes, wenn ein Kind zur Waise wird. Es hat irgendwie das Gefühl, nicht am rechten Ort zu sein, so etwa wie ein Puzzlestück, das in kein Puzzle passt. Es erlebt nicht jenes Gefühl von Sicherheit wie ein Kind in einer normalen Familie. Ich begann erst, mich sicherer zu fühlen, als ich anfing, Geld zu machen."
Er runzelte die Stirn.
"Ich weiß, ich habe es dir schon erzählt. Es war nicht das Geld an sich, das wichtig für mich war, sondern die Entdeckung, dass ich für etwas Talent habe - dass es etwas gibt, das ein Teil von mir ist." Lexie hatte das Glas Wein längst weggestellt und verschränkte nun die Arme vor der Brust. "Ich erwähne es nur deshalb noch einmal, damit du verstehst, dass es das ist, worüber Sammy und ich reden. Über die Dinge, die er gern tut und die ihm ein gutes Gefühl geben. Ich habe versucht, ihm dabei zu helfen, seine speziellen Talente zu entdecken. Er soll sehen, dass das Gefühl von Sicherheit, das wir so ersehnen, von uns selbst kommt. Es ist das Vertrauen in uns selbst, in das, was wir fühlen und denken, und in das, was wir tun.
Verstehst du?"
"Natürlich", sagte Cash. Er hörte ihr sehr aufmerksam zu, und ihr Mitgefühl und Verständnis für Sammy - ein Kind, das sie schließlich kaum kannte -, berührten ihn tief. Lexie hatte so viel Liebe zu geben.
"Weißt du, was eins deiner speziellen Talente ist, McKay? Du weißt mit Menschen umzugehen. Du öffnest den Fremden, die hierher kommen, dein Haus und dein Herz. Sie sind zunächst ausgebrannt und gestresst. Du findest heraus, was sie bedrückt, und lässt sie Dinge tun, die ihrem Geist die Chance geben, sich zu erleichtern und zu heilen - zum Beispiel heute Morgen durch die Übung mit der Augenbinde. Später wurde mir wirklich klar, was sie bedeutete. Man muss dabei seinem Partner vertrauen, und ich bin sicher, die meisten haben genau das verlernt.
Also ist diese Übung ganz besonders hilfreich und ...“
„So sehr auch wieder nicht. Bei dir hat sie nichts getaugt."
"Nein, aber das liegt daran, dass ich einen alten Albtraum mit mir herumschleppe." Lexie grinste und sprang plötzlich auf die Füße. "Nun mache ich mich besser auf ins Bett. Wir haben einen strengen Zuchtmeister hier, der uns bei Morgengrauen aus den Federn jagt. Und du bist jetzt doch okay, nicht?"
"Ich? Wieso?"
Ihr Weinglas wackelte, als sie mit dem Knie dagegen stieß. Sie rettete es, brachte dabei aber einen Stapel Zeitschriften ins Rutschen. Cash hielt ihn hastig fest.
"Du machst dir doch keine Sorgen mehr, dass ich wegen der paar Küsse ein Theater veranstalten werde, oder?
Es ist alles klar zwischen uns, ja?"
"Klar?" wiederholte er tonlos.
Sie lächelte ihn verständnisvoll an. "In Wirklichkeit hast du mich doch deswegen hergebeten, stimmt's? Um sicherzugehen, dass ich aus dem bisschen Geknutsche hier und da keine Staatsaffäre mache. Oder dass ich womöglich glaube, wir hätten eine Art von Beziehung, nur weil ein paar Hormone verrückt spielen, wenn wir zusammen sind."
Lexie ging zur Tür, bevor Cash eine Antwort einfiel.
Na schön, er war ein wenig nervös gewesen wegen der Sache von heute Morgen. Aber Lexie sollte doch nicht wissen - oder erraten -, dass die "paar verrückt spielenden Hormone" ihm fast einen Herzinfarkt verursacht hätten.
Und aus irgendeinem Grund raste
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