Wie einst in jenem Sommer
hatte.
„Theo hat erzählt, dass du nur deine Arbeit im Kopf hast“, entgegnete sie und setzte sich ihm gegenüber. „Sie scheint dir Spaß zu machen.“
„Ja, sie ist sozusagen mein Lebensinhalt. Theo und ich sind in Athen in einem Armenviertel aufgewachsen. Und ich hatte mir geschworen, nicht eher zu ruhen, als bis wir da heraus waren.“
Carrie erwiderte seinen Blick. „Ich würde sagen, das hast du geschafft!“
Diese schlichte Bemerkung brachte ihn zum Lachen. „Ja, aber je mehr man sich geschäftlich engagiert, desto größer wird auch die Verantwortung.“ Er erwähnte nicht, wie viele Mitarbeiter er hatte, dass er Theo bei dessen Geschäftserweiterung unterstützte oder dass er seinem Vater auf Mykonos ein Haus gekauft hatte.
„Du meinst, es macht süchtig.“
„Nein, so weit würde ich nicht gehen, aber ich muss zugeben, dass ich die Herausforderung liebe.“
„Ja, das kann ich verstehen. Wenn man ungebunden ist und keine Kinder hat, kann man natürlich größere Risiken eingehen.“
„Da ist was dran.“ Carries analytischer Verstand erstaunte ihn.
„Mein Vater war ein gerissener Geschäftemacher. Allerdings hat er dabei niemals einen Gedanken daran verschwendet, dass er auch Verantwortung für andere trug.“ Sie verzog das Gesicht, als sie an ihre Kindheit dachte. „Ihm ging es immer nur ums nächste große Geschäft.“
„War er denn erfolgreich?“
„Zunächst ja, aber leider wusste er nicht, wann es Zeit war aufzuhören. Er war nie zufrieden und liebte das Risiko.“
„Er ist also in Konkurs gegangen?“
„Ja. Er hat zu viel riskiert und alles verloren.“ Nachdenklich erinnerte sie sich an diese Zeit. Ihr Vater war nicht nur finanziell ruiniert gewesen, er hatte auch die Gesundheit ihrer Mutter auf dem Gewissen. Die Ehe war schließlich zerbrochen. Damals war Carrie zehn Jahre alt gewesen, und noch immer quälte sie die traumatische Erfahrung und die Hilflosigkeit, die sie damals empfunden hatte.
Sie schob sich das Haar aus dem Gesicht und sah auf. „Sein Optimismus war unverwüstlich. Wahrscheinlich ist er gerade in diesem Moment auf der Jagd nach dem ganz großen Geschäft.“
Andreas musterte sie erstaunt. „Ich dachte, deine Eltern sind tot. Jo hat mir erzählt, dass ihr in einer Pflegefamilie aufgewachsen seid.“
„Ja, das stimmt. Jo ist Vollwaise. Meine Mutter ist tot, aber mein Vater lebt meines Wissens noch. Ich war zehn, als er mich dem Jugendamt übergeben hat. Offensichtlich betrachtete er mich als Handicap für seine Unternehmungen.“
Sie zuckte nur die Schultern, als sie Andreas’ schockierten Gesichtsausdruck bemerkte. „Manche Menschen eignen sich eben nicht als Eltern. Wahrscheinlich hat er mir sogar einen Gefallen getan, als er mich damals im Stich ließ.“
Andreas spürte ihre unterschwellige Traurigkeit und fragte vorsichtig: „Weißt du denn, wo er jetzt steckt?“
„Ich glaube, er hält sich in den USA auf. Vor einigen Jahren habe ich versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Damals lebte er in Chicago und war wieder verheiratet. Ich habe meine Adresse und meine Telefonnummer hinterlassen, aber er hat sich nie bei mir gemeldet.“
„Manche Männer verdienen es nicht, Familie zu haben“, sagte Andreas ungehalten.
„Wohl wahr. Aber ich habe es eigentlich ganz gut getroffen: Schließlich habe ich Jo kennengelernt. Wir waren vom ersten Augenblick an unzertrennlich. Sie ist die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe.“
Andreas lächelte und stöhnte dann ärgerlich, als das Handy schon wieder klingelte.
Carrie trank ihren Kaffee aus und wunderte sich, dass sie Andreas von ihren Eltern erzählt hatte. Diese traurige Geschichte hatte sie bisher für sich behalten. Doch Andreas, den sie kaum kannte, hatte sie sich anvertraut. Seltsam.
Er beendete das Gespräch und sah auf. „Ich muss jetzt leider gehen.“
„Ja, natürlich.“ Es fiel ihr schwer, ihre Enttäuschung zu verbergen. Aber es war wohl besser, dass er sich verabschiedete, bevor die Leidenschaft sie erneut überwältigte. Carrie hatte keine Lust auf eine kurze Affäre.
Wenigstens hatten sie noch einen Kaffee zusammen getrunken und sich ganz freundschaftlich unterhalten. Es wäre also halb so schlimm, wieder aufeinanderzutreffen. Denn das würde unweigerlich geschehen, wenn Jo mit Theo zusammenbliebe. Und davon konnte man wohl ausgehen.
Carrie stand auf und begleitete Andreas zur Tür. „Vielen Dank für einen … interessanten Nachmittag.“
„Vielleicht können wir
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