Wie entführt man einen Herzog?
können.“
10. KAPITEL
Penelope sah der davonrollenden Kutsche nach. Adam musste den Verstand verloren haben, wenn er glaubte, er könne mithilfe der Gästelisten und Menüfolgen seiner schon vor Jahren verstorbenen Mutter einen erfolgreichen Ball ausrichten.
Außerdem war es wirklich eine verrückte Idee, mich einfach hier abzusetzen!
Himmel, was sollte sie nur vier Stunden lang tun? Wenn sie sich wenigstens etwas zu lesen mitgenommen hätte! Sie seufzte auf, bat Jem, draußen zu warten, und betrat den Laden.
Eine junge Frau, die in eine Ausgabe des Modejournals Le Beau Monde vertieft gewesen war, sprang überrascht auf. „Bonjour, Madame. Kann ich Ihnen helfen?“ Ihr französischer Akzent war unüberhörbar, ebenso wie der hoffnungsvolle Ton ihrer Stimme.
Zu ihrem Erstaunen bemerkte Penelope, dass es ihr Freude bereitete, sich als Duchess of Bellston vorzustellen und zu erklären, dass sie einige neue Kleider brauche.
Die Augen der jungen Frau leuchteten auf. Doch schon erlosch der Glanz wieder, und sie meinte betrübt: „Euer Gnaden, ich fürchte, Sie wollen gar nicht zu mir, sondern zu Madame Giselle.“
„Über dem Eingang steht doch Madame Giselle.“
„Das stimmt. Madame war bis zu ihrem Tod meine Arbeitgeberin. Da sie keine Verwandten in England hat und da es noch eine Menge Aufträge zu erfüllen gab – Madame hat uns sehr plötzlich verlassen –, habe ich ihre Arbeit fortgeführt.“
Ein wenig amüsiert stellte Penelope fest, dass der französische Akzent verschwunden war.
„Leider“, fuhr die junge Frau fort, „habe ich inzwischen einige unserer ehemaligen Kundinnen verloren, weil sie von Madame Giselle persönlich beraten werden wollten. Sollten auch Sie eine andere Schneiderin vorziehen, kann ich Ihnen verschiedene Ateliers empfehlen, Euer Gnaden.“
Penelope hob die Augenbrauen. „Ich bin sicher, Sie hätten mehr zu tun, wenn Sie etwas selbstsicherer auftreten würden. Man sollte der Konkurrenz niemals Aufträge zuschieben, die man selbst erledigen kann. Insbesondere, wenn eine Kundin so viel benötigt wie ich.“ Plötzlich verspürte sie tatsächlich große Lust, Geld auszugeben und sich von dieser sympathischen jungen Frau neu einkleiden zu lassen.
„Sie wollen also hierbleiben?“ Das Gesicht der Schneiderin drückte ungläubiges Staunen aus.
„Ja. Ich brauche Vormittags- und Dinnerkleider, eine Ballrobe und Reitkostüme, Unterwäsche und mindestens einen Mantel.“
„Oh …“
„Wollen Sie den Auftrag annehmen, Miss …“
„Sarah, Euer Gnaden. Möchten Sie sich zuerst ein paar Musterbögen anschauen?“
„Nein. Ich habe keine Ahnung von Mode. Am besten überlasse ich alles Ihnen. Die Schnitte, die Auswahl der Stoffe und was sonst zu berücksichtigen ist.“ Sie straffte die Schultern und bereitete sich auf das Schlimmste vor.
Doch das Schlimmste trat nicht ein. Zwar wickelte Sarah sie in verschiedene Stoffe, um zu sehen, welche Farben ihr am besten standen, und experimentierte mit Borten und Spitzen. Aber nicht ein einziges Mal drängte sie sie, sich für etwas zu entscheiden, das ihr nicht zusagte, nur weil es gerade modern war. Sie benahm sich ganz anders als die Schneiderinnen und Modistinnen, die Penelope vor ihrer Einführung in die Gesellschaft kennengelernt hatte.
Ich habe wirklich Glück gehabt, dachte sie. Wenn ich doch jetzt noch jemanden fände, der mir bei den Vorbereitungen für den Ball zur Seite steht … Einer plötzlichen Eingebung folgend fragte sie: „Sarah, sind irgendwelche Ihrer Verwandten in einem vornehmen Haushalt beschäftigt?“
„Meine Mutter ist Haushälterin bei Lady Broxton.“
„Dann habe ich eine Bitte an Sie.“ Penelope nahm all ihren Mut zusammen. „Ich werde in nächster Zeit einen Ball geben müssen. Nun bin ich ebenso wenig als Duchess geboren wie Sie als Französin. Deshalb brauche ich Hilfe. Ich bin bereit, großzügig dafür zu zahlen, dass jemand mich bei der Aufstellung der Gästeliste unterstützt und mir Tipps bezüglich der Dekoration des Saals und der Zusammenstellung des Büfetts gibt.“
Sarah dachte kurz nach und nickte dann.
Gleich darauf wurde Jem mit einem Brief für die Mutter der jungen Frau zum Dienstboteneingang von Broxton House geschickt.
Nach einer reichlichen Stunde war er zurück. In der Hand hielt er verschiedene Papiere. Auf einem Blatt waren die Namen und Adressen der bedeutendsten Mitglieder der Londoner Gesellschaft vermerkt. Weiterhin gab es eine Liste von Wein- und Blumenhändlern
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