Wie entführt man einen Herzog?
darauf hin, dass er …“, noch einmal zögerte sie, „… dass er der Verzweiflung nahe war. Er war zu betrunken, um irgendetwas zu erklären. Ich gewann allerdings den Eindruck, dass er sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Es gelang mir, ihn davon zu überzeugen, dass er mich heiraten müsse, damit all seine Probleme gelöst würden.“
Timothy ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken. „Wenn Adam zu betrunken war, um zu begreifen, was er tat, dann ist die Hochzeit nicht rechtskräftig.“
„Sie haben recht. Deshalb schlug ich ihm tags darauf auch vor, alles einfach zu vergessen. Er aber fühlte sich an das Ehegelübde gebunden. Also schlossen wir schließlich eine Übereinkunft. Romantisch ist das nicht. Aber wir waren beide zufrieden.“
„Glauben Sie mir, für Adam ist es mehr. Ich habe gesehen, wie er Sie anschaut. Wenn Sie ihn wollen, dann hat Clarissa keine Chance!“
„Unsinn!“
„Nein.“ Tim blieb hartnäckig. „Ich bin sicher, er liebt Sie. Und ich weiß, dass Sie gut für ihn sind. Bitte, vertrauen Sie mir. Ich bin sein bester Freund. Ich kenne ihn durch und durch.“
Penny schüttelte den Kopf.
„Bitte!“ Timothy griff nach ihren Händen und hielt sie fest. „Er bringt es vielleicht nicht über sich, mit Ihnen über seine Gefühle zu sprechen. Aber wenn Sie zu ihm halten, wird er Ihnen früher oder später seine Liebe gestehen. Er leidet sehr unter den Fehlern, die er in der Vergangenheit gemacht hat. Für mich ist es schlimm, immer, wenn ich ihn anschaue, die Schuld und die Qual in seinen Augen zu sehen. Helfen Sie ihm. Dann helfen Sie auch mir.“
Sie dachte über das nach, was sie gehört hatte. „Er hätte sich niemals auf diese Affäre einlassen dürfen.“
„Clarissa hat jahrelang und mit allen Mitteln um ihn gekämpft. In meinen Augen ist es ein Wunder, dass er ihr überhaupt so lange widerstanden hat.“
„Trotzdem …“
„Sie meinen, ich müsste mehr Zorn ihm gegenüber empfinden? Nun, Sie täuschen sich. Abgesehen von dieser unglückseligen Geschichte ist er mir immer ein guter, nein, der beste Freund gewesen. Hat er Ihnen erzählt, warum er damals von der Schule geflogen ist?“
Jetzt war ihre Neugier geweckt. „Nein.“
„Es war allein meine Schuld. Zu jener Zeit habe ich ziemlich viel getrunken. Eines Nachts – wir hatten heimlich ein Gasthaus aufgesucht und waren natürlich nicht mehr nüchtern – kam es zu einer Schlägerei zwischen uns. Es ging um ein Mädchen. Mein Gott, wir konnte ich nur so dumm sein … Jedenfalls fiel ich wie ein Verrückter über Adam her, schlug ihm ein blaues Auge und brach ihm fast die Nase. In der Schule ließ sich das natürlich nicht geheim halten. Man hätte mich unverzüglich nach Hause schicken sollen. Doch irgendwie gelang es Adam, den Rektor davon zu überzeugen, dass er der Verantwortliche war. Also wurde er der Schule verwiesen.“
Penny lauschte fasziniert.
„Er bezahlte für alles, was bei unserer Prügelei zu Bruch gegangen war, spielte vor dem Rektor den zerknirschten Sünder, kühlte das blaue Auge mit Eis und verließ die Schule, sehr zum Ärger seines Vaters. Mir hatte er zuvor noch gesagt, er wolle unbedingt, dass ich meinen Abschluss mache, denn im Gegensatz zu ihm sei ich an dem interessiert, was man uns beibringen wolle. Zudem brauche ich eine gute Erziehung, um meine Zukunft zu sichern, wohingegen er als Duke ruhig ungebildet sein dürfe.“
Tim lächelte. „Wie könnte man einem solchen Freund jemals böse sein? Adam ist ein wunderbarer Mensch. Deshalb bitte ich Sie: Wenn er versucht, Sie zu erobern, dann wehren Sie sich nicht gegen seinen Charme.“
Während Penny noch überlegte, was sie darauf antworten sollte, war vom Flur her ein lautes Räuspern zu vernehmen. Dann wurde die Tür aufgerissen, und Adam kam herein. Er schaute von einem zum anderen, stellte fest, dass alles in bester Ordnung zu sein schien, und meinte, um seine Verlegenheit zu verbergen: „Ich suche nach einem Buch, das mir die lange Fahrt nach Bellston Manor verkürzen soll. Kannst du mir etwas empfehlen, Penny? Oder du, Tim? Ich vermute, dass ihr zwei euch hierher zurückgezogen habt, um über Literatur zu sprechen.“
Voller Erstaunen nahm Penny den drohenden Unterton in der Stimme ihres Gatten wahr. Auch Tim schien zu spüren, dass Adam aus irgendeinem Grund ungewöhnlich erregt war. Freundlich sagte er: „Es ist eine Freude, sich mit deiner Gemahlin über ihre Studien zu unterhalten. Du wirst doch deshalb nicht
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