Wie es dem Glück beliebt
lernen wollte, was schicklich war und was nicht. Soweit es sie betraf, war die heutige Nacht wunderbar gewesen. Alex hatte sich jedenfalls nicht beklagt.
Bei diesem Gedanken musste sie noch breiter gelächelt haben, denn Alex regte sich und hob eine Hand, um ihr übers Haar zu streichen. »Bist du wach, Süße?«, flüsterte er.
»Ein wenig«, murmelte sie.
Sie spürte Lachen an ihrem Ohr vibrieren. »Nun, finden wir heraus, ob du auch ganz wach werden kannst. Es wird Zeit, aufzustehen.«
Sie legte den Kopf in den Nacken, um besser aus dem Fenster schauen zu können. »Draußen ist es immer noch stockdunkel.«
»Ein Westfenster«, informierte er sie. »Es ist fast Sonnenaufgang. Wie weit ist es bis zum nächsten Dorf?«
Sophie kuschelte sich tiefer in die Decken. »Drei, vielleicht vier Meilen, denke ich. Nicht allzu weit. Wir können zumindest warten, bis es hell ist.«
»Auf der anderen Seite des Hauses wird es schon bald hell sein. Ich will dich sicher nach London bringen und herausfinden, wer hinter unserer versuchten Entführung steckt. Und dafür brauchen wir Pferde.«
Es war ein wenig mehr als versuchte Entführung, dachte Sophie, und er würde der Sache nicht allein nachgehen, aber ihr war nicht danach zumute, mit ihm zu streiten. Genauso wenig würde sie wieder einschlafen können, begriff sie. Inzwischen schwirrte ihr der Kopf von Gedanken an ihre bevorstehende Heirat mit Alex, ihre Entführer, ihren Cousin, ihre Arbeit für … wer immer das war, für den sie arbeitete. Wobei ihr etwas einfiel …
»Alex?«
»Hmhm?«
»Der Mann im Kriegsministerium, für den du arbeitest, wie heißt der?«
»William Fletcher. Jetzt steh auf.«
Sie fuhr hoch.
»Ein untersetzter Mann mit einer Knollennase und einer Vorliebe für Brandy?«
»Ich entnehme deinen Worten, dass du ihn kennst?«, fragte Alex.
»Ich kenne einen Will Fetch, als Anwalt! Er ist meine Kontaktperson für den Prinzregenten!«
»War«, korrigierte er sie automatisch und griff nach seiner Kniehose.
Sie ignorierte ihn und schnappte sich ihr Unterkleid. »Warum sollte er mich belügen, uns beide? Und warum sich die Mühe einer minimalen Veränderung seines Namens machen?«
Er zog sein Hemd an. »Ich weiß es nicht.«
Sie schlüpfte in ihr Kleid und mühte sich, an die Knöpfe auf der Rückseite heranzukommen. »Bedeutet das, dass ich für das Kriegsministerium arbeite, oder …«
»Seit gestern Morgen für keins von beidem.« Er griff nach seinen Stiefeln, und sie widerstand dem Drang, einen ihrer eigenen Stiefel aufzuheben und ihm an den Kopf zu werfen. Sie verknotete gerade die oberste Schleife an ihrem zweiten Stiefel, als sie begriff, dass Alex fertig angekleidet war und jetzt auf und ab ging. Dann, dachte sie, würde es wohl noch ein Weilchen dauern, bis sie aufbrachen. Sie setzte sich wieder auf die Decken und beobachtete ihn noch einen Augenblick länger, bevor sie sich in ihren eigenen Gedanken verlor. Sie hatte Wochen damit zugebracht, Schlösser zu knacken, durch Fenster zu klettern und die persönlichen Papiere mehrerer prominenter Männer zu durchwühlen – alles in der Annahme, dass sie es auf Geheiß des Prinzregenten persönlich tat. Jetzt, da die Identität ihres Auftraggebers verdächtig war, fragte sie sich, ob sie nicht mehr war als ein gewöhnlicher Dieb.
Gütiger Gott, war sie den ganzen Weg bis nach London gereist, um eine kriminelle Debütantin zu werden?
Schnell verwarf Sophie den Gedanken, nur teilweise deshalb, weil die Vorstellung so unerquicklich war. Offensichtlich wusste das Kriegsministerium von ihren Aktivitäten, und seine Beteiligung verlieh dem Ganzen ein gewisses Maß an Echtheit. Warum hatten sie dann ganz bewusst darauf geachtet, dass ihre Beteiligung geheim blieb? Und warum hatten sie sie nicht mit Alex zusammenarbeiten lassen? Die Dinge wären erheblich einfacher gewesen, wenn sie jemanden gehabt hätte, der für Ablenkung sorgte, der vor Türen Wache stand und auf Französisch geschriebene Briefe las.
Sophie lächelte, als sie sich Alex als Hilfsspion vorstellte.
Das Geräusch von splitterndem Glas in einem fernen Teil des Hauses riss sie aus ihren Gedanken.
Alex zog sie auf die Füße, bevor sie Zeit hatte, sich darüber klarzuwerden, was das Geräusch bedeutete. Er schob sie in Richtung eines Abstellraums, und sein Gesichtsausdruck war kalt.
Sie sträubte sich. »Ich kann nicht«, flüsterte sie. »Da drin ist es dunkel.«
»Dort ist ein Fenster, Sophie«, sagte er. Er zog die Vorhänge
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