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Wie es dem Glück beliebt

Wie es dem Glück beliebt

Titel: Wie es dem Glück beliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Johnson
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zurück, um das Licht des untergehenden Mondes in die kleine Kammer zu lassen. Es war gerade genug, um ihre schreckliche Angst in Schach zu halten.
    »Bleib hier«, befahl er und drückte ihr das Messer, das sie ihm zuvor gegeben hatte, wieder in die Hand. Sie wollte ihm sagen, dass er es nehmen solle, er würde es gewiss mehr brauchen als sie, doch er war verschwunden, bevor sie den Mund öffnen konnte, um etwas zu sagen.
    Er hatte die Tür einen Zoll weit offen stehen lassen. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er es absichtlich getan hatte – nichts wirkte so verdächtig wie eine geschlossene Tür –, und dann sah sie, dass es im Speisezimmer dunkler wurde. Er blies die Kerzen aus. Sophie umfasste das Messer fester und drückte sich in eine Ecke der Abstellkammer. Es musste im Speisezimmer jetzt sehr, sehr dunkel sein.
    Irgendwo splitterte Holz. Sophie hörte Männerstimmen. Dann die verräterischen Geräusche eines Kampfes. Rufe, Flüche, Hiebe. Wie viele waren dort draußen? Welcher Übermacht stand Alex gegenüber?
    Steh auf!, befahl sie sich.
    Kann nicht! Zu dunkel.
    Steh auf!
    Ich kann nicht!
    Etwas zerbrach. Jemand brüllte und stöhnte dann vor Schmerz.
    Dort draußen war der Tod.
    Alex’ Tod. Er kämpfte um sein Leben, um ihr Leben, während sie sich in einer Abstellkammer versteckte.
    Steh auf, verdammt!
    Alex würde sterben, und wenn sie sich nicht bewegte, würde sie es geschehen lassen.
    Bei diesem Gedanken war es, als würde ein Hebel in ihr umgelegt. Sie umfasste das Messer fester, schlüpfte aus ihrem Versteck und drückte sich an die Wand des Speisesaals. Es kostete sie eine Minute, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und in dieser Minute fühlte sie das Entsetzen, das sie zu überwältigen drohte. Mit jeder Unze Mut, die sie besaß, kämpfte sie dagegen an. Doch das genügte nicht, also dachte sie stattdessen an Alex. Die Furcht verebbte. Sie konnte wieder scharf sehen.
    Rechts von ihr bewegte sich jemand. Ein Umriss vor dem schwachen Mondlicht, das durch die Ritzen des Vorhangs drang. Jemand, der klein und untersetzt war. Der Mann achtete sie nicht auf sie. Er hatte sie nicht bemerkt.
    Sie sah ihn den Arm heben und mit einer Pistole auf die Gestalten zielen, die am anderen Ende des Raums miteinander rangen. Ohne nachzudenken, sprang sie auf und warf das Messer.
    Der Mann schrie und torkelte. Glas splitterte. Ein Schuss fiel. Jemand schrie, aber es war nicht Alex, und das war alles, was zählte.
    Ein lastendes Schweigen folgte, durchbrochen nur von dem schweren Atmen auf der gegenüberliegenden Seite des Raums.
    »Alex?«, flüsterte sie.
    »Sophie!«
    Sie hörte, wie er auf sie zukam. Dann packte er sie brutal an den Schultern.
    »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?«
    Sophie konnte ihm nicht antworten. Jetzt, da die Gefahr vorüber und Alex in Sicherheit war, begann sie die Last der Dunkelheit um sich herum zu spüren.
    »Meinst du …«, sie leckte sich mit einer trockenen Zunge die rauen Lippen. »Können wir jetzt eine Kerze anzünden?«
    Alex fluchte grimmig, dann griff er nach ihrer Hand und zog sie aus dem Raum. Sie durchquerten schnell das Foyer und traten zur Vordertür hinaus. Sophie entspannte sich beträchtlich beim Anblick des sich aufhellenden östlichen Himmels. Alex zog sie weiter, bis sie eine kleine Mauernische am Haus erreichten. Abrupt drückte er sie hinein.
    »Bleib hier«, befahl er und drückte sie an die Wand. »Verstehst du mich? Bleib hier. Rühr dich nicht von der Stelle.«
    Sie nickte.
    »Ich will dein Wort, Sophie.« Sein Gesicht war ihr fremd, eine steinerne Maske.
    »Ich verspreche es«, flüsterte sie.
    »Brich niemals die Versprechen, die du mir gegeben hast.«
    »Das werde ich nicht.«
    Sie sah ihm nach, bis er um die Ecke des Hauses verschwand, dann betrachtete sie ihre Umgebung. Die Dunkelheit in ihrer kleinen Nische reichte ihr nur bis zu den Zehen, und sie konnte deutlich die Rasenfläche neben dem Haus erkennen. Das genügte.
    Außerdem fühlte sie sich jetzt stärker. Sie würde immer Angst vor der Dunkelheit haben, doch heute Nacht hatte sie gegen diese Furcht gekämpft und sie besiegt. Vielleicht konnte sie sie jetzt so weit beherrschen, dass sie nicht wirklich in Panik geriet, wie es ihr in der Hütte passiert war.
    In der Ferne schrie jemand.
    Instinktiv tat sie einen Schritt in die Richtung des Geräuschs.
    Nein. Sie hatte es versprochen. Sie zwang sich in die Nische zurück und ballte die Hände zu Fäusten.

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