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Wie es Euch gefaellt, Mylady

Wie es Euch gefaellt, Mylady

Titel: Wie es Euch gefaellt, Mylady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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An deinen Lippen.“
    Sie nahm das Tuch entgegen, mit einem zweifelnden Blick, ohne ihm zu widersprechen. „Wohin wollte Russell?“, wiederholte sie und blickte sich suchend um.
    „Er wurde in einer dringenden Angelegenheit abberufen.“
    Sie betupfte sich den Mund und zog eine Braue hoch.
    „Wieder einmal?“
    „Offensichtlich.“ Er nahm sie beim Ellbogen und führte sie aus der Menge der Gäste, die zum Getränketisch drängten. „Geschieht das häufig?“
    „Ja. Und …“
    „Er bat mich, auf dich …“
    „Aufzupassen.“ Sie verzog das Gesicht, ihre Augen verdunkelten sich erzürnt. Offensichtlich war sie nicht angetan von dieser Idee. „Es ist völlig lächerlich, Heath.“
    „Ich weiß nicht. Auclair ist ein Monster.“
    Sie stellte das Glas auf eine Anrichte. „Ich begreife das nicht. Wieso hat Auclair nicht längst aufgegeben. Russell und du, ihr habt doch genug gelitten in Sagunt?“
    „Auclair ist unberechenbar“, antwortete er ruhig.
    „Sollen sich doch andere zur Abwechslung mal opfern.“
    „Wir sind noch am Leben, Julia. Andere haben alles verloren.“
    Sie blickte ihm direkt ins Gesicht und gab ihm wortlos zu verstehen, dass auch sie Opfer gebracht und Verluste erlitten hatte.
    „Wie geht es deiner Familie, Heath?“
    Er stutzte, wie plötzlich sie das Thema wechselte. „Ganz gut. Grayson hat kürzlich geheiratet.“
    „Davon habe ich gehört. Wer hätte das gedacht! Der unverbesserliche Herzensbrecher in Ketten gelegt.“
    „Tja, auch die Besten bleiben nicht ungeschoren.“ Er lachte in Gedanken an die wilde Vergangenheit seines ältesten Bruders. „Selbstverständlich trifft es auch die Schlimmsten.“
    „Du bist als Nächster dran, stimmt‘s?“
    „Nicht, wenn ich es verhindern kann.“
    „Ich dachte, du seiest längst verheiratet und hättest mindestens fünf Kinder.“
    In dieser Hinsicht irrte sie gewaltig. Bisher hatte er nicht den Wunsch gehabt zu heiraten, wobei er keine grundsätzlichen Einwände gegen die Ehe hatte. Ob sie Russell liebte? Natürlich liebte sie ihn. Die Damen der Londoner Gesellschaft gerieten in Atemnot, wenn Sir Russell Althorne einen seiner dramatischen Auftritte bei einem Empfang inszenierte. Wie lange mochte sie mit ihm verlobt sein? Und wann hatte ihre Romanze begonnen? Sie waren so grundverschieden. Julia, der rebellische Freigeist und der überaus korrekte Russell, der so sehr darauf bedacht war, einen guten Eindruck zu machen. Nun ja, Gegensätze zogen sich ja bekanntlich an.
    Ziemlich hochmütig, sie so rasch zu beurteilen, tadelte er sich selbst, reine männliche Überheblichkeit. Wieso bildete er sich ein, sie zu kennen nach einem einzigen, wenn auch unvergesslichen, Nachmittag mit ihr? Nur weil die Erinnerung an sie ihn bis heute verfolgte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie ähnliche Gefühle für ihn hegte. Vermutlich sah sie in ihm nur einen leichtlebigen Frauenhelden, der sie beinahe entehrt und ins Unglück gestürzt hätte. Was für ihn ein bedeutendes Erlebnis war, mochte für sie nicht mehr als ein beschämender, frivoler Fehltritt gewesen sein.
    „Es ist unnötig, dass du ihm diesen Gefallen tust“, sagte sie über die Schulter, als sie ihm voraus in den Ballsaal eilte.
    „Nein“, sagte er mit leiser Ironie. „Ich kann auch ablehnen und als ehrloser Drückeberger dastehen und vergessen, dass Russell sein Leben für mich aufs Spiel gesetzt hat.“
    „Ehre“, murmelte sie achselzuckend. „Was ist das eigentlich?“
    „Glaubst du nicht an Ehre, Julia?“
    „Ich weiß, dass Männer dafür sterben.“
    Sie entzog sich ihm und rauschte an einigen Gästen vorbei, die ihr lächelnd zunickten. Ehre. Heath war unschlüssig, wie er reagieren sollte. Offenbar konnte sie diesem Begriff nicht viel abgewinnen. Hatte ihre verächtliche Haltung etwas damit zu tun, dass ihr Ehemann in Indien gefallen war? Der Krieg hatte unzählige Frauen verbittert, einsam und enttäuscht zurückgelassen.
    Samuel Breckland, ein Freund der Familie, und Heaths eigener Bruder Brandon hatten ihr junges Leben verloren, um den Begriff der Ehre hochzuhalten.
    Empört und wütend hätte er sie am liebsten an den Schultern gepackt und gerüttelt. Ohne Ehre würde die Welt aus den Fugen geraten. Mit welchem Recht verspottete sie eine Tugend, die ihm überaus wertvoll war? Wieso schaffte sie es, dass er das, wofür er gekämpft hatte, infrage stellte? Und wieso in aller Welt ließ er sich durch eine gedankenlos hingeworfene Bemerkung von ihr aus der

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