Wie es Euch gefaellt, Mylady
Gesellschaft ist unerwünscht“, raunte er in seiner tiefen melodischen Stimme.
Sie zögerte, verdrängte die Warnungen, die ihr durch den Kopf schossen. Was war schon dabei? Russell wünschte, dass sie wieder gesellschaftliche Kontakte knüpfte und Freundschaften auffrischte. „Vielleicht ist das Gartenfest eine angenehme Zerstreuung“, gestand sie widerstrebend.
In seinen Augen blitzte wieder dieser verwegene Funke. „Vielleicht entdecke ich deinen heimlichen Verehrer.“
Julia lachte. „Du wirst entdecken, dass er nicht existiert.“
Heath hatte es sich im Salon bequem gemacht und blätterte in einer Abhandlung über Sanskrit, als der Earl vorfuhr, um seine angebetete Hermia zum Gartenfest zu begleiten. Heath hob den schweren Samtvorhang ein wenig an und spähte hinaus. Kutschen, Pferdefuhrwerke und Händler mit Handkarren belebten die verkehrsreiche Straße, auf den Gehsteigen eilten Passanten ihren Geschäften nach. Nichts an der lärmenden Betriebsamkeit erregte seinen Verdacht. Allerdings wäre es im Großstadtgetriebe nicht schwer, ein Verbrechen zu begehen und in den engen Gassen und Hinterhöfen unterzutauchen, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Heath war ein argwöhnischer Mensch. Seine scharfe Beobachtungsgabe und seine Geduld hatten den Ausschlag gegeben, dass er in Portugal einem Elitekorps zugeteilt worden war, wo er zum Agenten des Britischen Geheimdienstes ausgebildet und anschließend hinter die feindlichen Linien eingeschleust worden war. Dort war er in Gefangenschaft geraten und von einem französischen Offizier namens Armand Auclair gefoltert worden. Diese grauenvollen Erlebnisse hatten ihm tiefe körperliche und seelische Verletzungen zugefügt, aber auch seinen Charakter gefestigt. Er war der Hölle entronnen. Seither gab es kaum eine Gefahr, die ihm wirklich Angst einjagen konnte.
Seine Leidenschaft, Rätsel zu lösen, Geheimnisse aufzudecken, Mysterien auf die Spur zu kommen, war ihm geblieben. Mit großem Eifer machte er sich daran, Geheimschriften zu entschlüsseln. Diese Form, Rätsel zu lösen und Dinge ins Reine zu bringen, gab ihm ein Gefühl der Stabilität in einer ungeordneten Welt. Das Studium menschlicher Charaktere, ihre oftmals unvorhersehbaren und sprunghaften Verhaltensweisen zu analysieren, betrachtete er als spannende Herausforderung. Allerdings war es ihm bislang noch nicht gelungen, das Mysterium der Gefühlswelten zu seiner vollen Zufriedenheit zu lösen.
Er dachte an den Überfall auf Russells Dienerschaft letzte Nacht, der deutliche Anzeichen eines persönlichen Racheakts trug. Offenbar hatte Auclair seine Hände im Spiel, wollte Angst und Schrecken verbreiten, um seine Vergeltung möglichst lange auszukosten. Aber warum? Der Krieg war vorbei. Napoleon war entmachtet und ins Exil verbannt worden. Warum verfolgte der Franzose Russell immer noch mit seinem Hass?
Hinter Heath wurde die Tür aufgerissen, er wandte sich vom Fenster ab.
Der Earl of Odham stürmte ins Zimmer mit zornrotem Gesicht und zerzauster weißer Haarmähne. „Dieser verdammte Londoner Verkehr bringt mich noch um“, verkündete er wutschnaubend. „Ist diese Frau denn fertig?“
Odham bewegte sich elastisch, mit federnden Schritten wie ein junger Mann. Und er kleidete sich wie ein junger Herr. Heute trug er einen engen Frack, eine weiße bestickte Weste, Reithosen aus Rehleder und glänzend polierte Stiefel, in denen seine etwas zu kurz geratenen Beine zu versinken schienen.
„Falls Sie Lady Dalrymple meinen, sie wartet mit ihren Möpsen draußen im Garten. Julia ist allerdings noch nicht fertig.“
Odham knurrte, schien sich aber durch Heaths Anwesenheit zu beruhigen. „Guten Tag, Boscastle. Ich vermute, die beiden haben Ihnen Schauergeschichten über mich erzählt.“
„Mich würde nur eins interessieren, Odham. Versuchen Sie tatsächlich, Lady Dalrymple zu erpressen?“
Odham ließ sich wie ein Stein auf das Damastsofa fallen. „Ich leugne nicht. Ja, es stimmt.“
Heath schüttelte ungläubig den Kopf. „Und das geben Sie auch noch zu?“
„Warum denn nicht?“
„Weil es geschmacklos ist und unfein, und außerdem ist es verboten.“
„Die Liebe müsste verboten werden“, brummte Odham und verschränkte die Hände über seinem Spitzbäuchlein.
„Liebe?“ Heath zog eine Braue hoch. „Was haben Liebe und Erpressung miteinander zu tun? Dieser Zusammenhang scheint mir doch ein wenig weit hergeholt.“
„Wenn ich diese niederträchtige Person nicht lieben würde, würde
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